Die Landung auf dem Mond war das bis dahin kühnste Abenteuer in der Menschheitsgeschichte, eine gigantische technische Leistung - das Protokoll.

Der bemannte Raumflugkörper mit der Codenummer 1969-059A ist seit drei Tagen unterwegs. Im Kontrollzentrum in Houston/Texas hat Routine die anfängliche Nervosität verdrängt. Die historische Mission Apollo 11 verläuft seit dem Start in Cape Canaveral/Florida reibungslos. Die mächtige Saturn-V-Rakete, Seriennummer AS-506, 2940 Tonnen schwer, hat den Satelliten auf den Kurs zum Mond geschossen. Der Zeitplan der Reise wird bis auf drei Minuten Verspätung eingehalten. Der Countdown zum Eintrag in die Geschichtsbücher kann pünktlich beginnen. In wenigen Stunden wird der erste Mensch den Erdtrabanten betreten. In Deutschland ist die Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1969 angebrochen. In den USA ist es der frühe Abend des 20. Juli – Primetime. Die Nation sitzt vor dem Fernseher.

Edwin Aldrin und Neil Armstrong haben nach 384.000 Kilometern Flug durchs All das Mutterschiff Columbia durch einen schmalen Tunnel verlassen und sind in die Mondlandefähre Eagle (Adler) gestiegen. Columbia-Pilot Michael Collins umkreist den Mond. „Ich warte auf euch“, sagt er zum Abschied.

Aldrin und Armstrong beginnen mit dem Abstieg. 1,5 Kilometer vor der Landung bricht Hektik aus. Der Bordcomputer meldet alle zehn Sekunden Fehler 1201 und 1202. In Houston fahnden Techniker fieberhaft nach der Ursache. Sie ist bald gefunden. Aldrin hatte zum Lande- auch das Rendezvousradar eingeschaltet. Der Rechner kollabiert unter dem Wust der Daten. Das Programm startet ständig neu. Houston funkt Entwarnung. Alles okay. Der Landeanflug kann fortgesetzt werden.

Der Autopilot steuert auf einen Krater zu. Armstrong übernimmt die Steuerung per Hand, umschifft Klippen und Geröll. In diesem Moment blinkt ein Warnlicht. Aerozin 50, der Treibstoff, geht zur Neige. Armstrong muss runter. 65 Meter weiter findet er einen geeigneten, halbwegs ebenen Platz. Im Tank ist noch Sprit für 20 Sekunden. Nach dem Aufsetzen bereiten die Lunanauten ihre Fähre auf einen möglichen Notstart zurück zur Columbia vor. Das schreiben die Sicherheitsrichtlinien vor. Ihnen bleiben dafür 15 Sekunden. 

Alle Systeme arbeiten einwandfrei. Armstrong meldet sich nach dem Check: „Houston, Tranquility Base here. The Eagle has landed.” Der Adler ist im Mare Tranquillitatis, dem Meer der Ruhe, gelandet. Die ersten Menschen sind auf dem Mond angekommen, der erste Teil des Himmelfahrtskommandos ist erfüllt. Aldrin, der gläubige Christ, zelebriert ein Abendmahl.

Im Flugplan ist eine vierstündige Ruhepause vorgesehen. Armstrong will sofort aussteigen, er könne ohnehin nicht schlafen, sagt er. Houston ist einverstanden. Die Vorbereitungen nehmen mehr Zeit als erwartet in Anspruch. Armstrong und Aldrin zwängen sich in der Fähre in ihre weißen Raumanzüge. Es sind Maßanfertigungen. Sie kosten mit allen lebenswichtigen Versorgungssystemen 400.000 Dollar das Stück. Bei späteren Apollo-Missionen gibt es sie von der Stange. Das spart der US-Raumfahrtbehörde Nasa Geld. Nach dem Druckabbau in der Mondfähre öffnet Armstrong um 3.39 Uhr MEZ die Luke, zwölf Minuten später betritt er die Plattform der Leiter. Sechseinhalb Stunden sind seit der Landung vergangenen. Auf dem Mond, den keine Atmosphäre schützt, schwanken die Temperaturen zwischen plus und minus 150 Grad Celsius.

Ursprünglich wollte die Nasa Aldrin, den promovierten Physiker, als Ersten auf den Mond schicken. Aldrin aber ist Mitglied der Streitkräfte. Deshalb entschied die Regierung in Washington vier Monate vor dem Start von Apollo 11, er solle dem Zivilisten Armstrong den Vortritt lassen. Das sei besser für das Image der USA. Die sind gerade in den Vietnamkrieg verstrickt.

Armstrong steigt die Sprossen der Leiter langsam herunter. Auf dem tellerförmigen Fuß des Gestells verharrt er einen Moment, dann setzt er als erster Mensch einen Fuß auf den Mond. Es ist sein linker. Die Chronisten notieren die Zeit: 3:56:20 Uhr MEZ am 21. Juli 1969. „That’s one small step for (a) man, one giant leap for mankind”, sagt Armstrong. Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit. Im Kontrollraum in Houston bricht Jubel aus.

Armstrong tritt bei seinen ersten Schritten auf dem Mond behutsam auf. Er will sich an die geringere Schwerkraft gewöhnen. Sie beträgt ein Sechstel der irdischen. In dem pulverförmigen, dennoch festen Sand zeichnen sich seine Fußabdrücke nur wenige Zentimeter tief ab. Ein Teil des aufgewirbelten Mondstaubes bleibt an seinen Schuhen kleben. Armstrong bewegt sich zunächst im Schatten der Mondfähre, inspiziert sie. Der Gasstrahl des Landetriebwerkes hat kaum Spuren auf dem Boden hinterlassen. Beim Blick auf die Erde, die am Horizont blau leuchtet, sagt er: „Sie ist groß und hell und wunderschön.“ Zum ersten Mal betrachtet ein Mensch seinen Heimatplaneten aus dieser Distanz.

18 Minuten nach Armstrong verlässt Aldrin die Mondfähre. Er springt von der letzten Stufe der Leiter. Seine ersten Worte fallen überschwänglich aus: „Wunderbare Aussicht.“ Im Gedächtnis der Menschheit bleiben sie nicht. Später sagt er: „Es herrscht absolute Stille hier. Wir schauen auf eine Wüste, in eine unendliche Leere, deren Anblick außerordentlich ist. So etwas haben wir beide noch nie gesehen.“

Armstrong sammelt mit einer langstieligen Schaufel erste Gesteinsbrocken. Sie sollen den Wissenschaftlern auf der Erde Auskunft über Alter und Ursprung des Weltalls geben. Aldrin dirigiert die Bewegungen seines Kommandanten. Armstrong kann aus seinem Helm heraus die Taschen nicht sehen, in denen er seine Funde steckt. Auch Aldrin bestückt sich sofort mit Steinen. Bei einem unplanmäßigen Rückstart will er nicht mit leeren Koffern dastehen. Insgesamt fliegt Apollo11 21,6 Kilo Mond zur Erde zurück. Eine Kamera, die sie auf dem Boden installiert haben, filmt alle Tätigkeiten. Houston gratuliert zur hervorragenden Bildqualität. „Das waren wir euch doch schuldig“, antwortet Armstrong.

An der Landestufe, die auf dem Mond zurückbleiben wird, enthüllen Armstrong und Aldrin eine Gedenktafel. Sie zeigt die beiden Hemisphären der Erde. Auf der Inschrift steht in Englisch: „Hier haben Männer des Planeten Erde zum ersten Mal den Fuß auf den Mond gesetzt. Juli 1969, A. D. (Anno Domini, im Jahre des Herrn, die Red.). Wir kamen in Frieden für alle Menschen.“ Eingraviert sind die Unterschriften von Armstrong, Aldrin, Columbia-Pilot Collins und US-Präsident Richard Nixon.

Armstrong und Aldrin beginnen ihren weiteren Aufgabenkatalog abzuarbeiten. Zunächst treiben sie einen Stab in den Boden, an dem sie eine Aluminiumfolie befestigen. Die soll den Sonnenwind messen. Anschließend rammen sie die US-Flagge in den überraschend harten Untergrund – und salutieren. Aldrin hüpft vor Freude wie ein Känguru. Armstrong schüttelt, so gut es geht, den Kopf. Beide lassen einander nicht aus den Augen. Das ist ein Befehl.

50 Minuten nach Armstrongs Mondbesteigung meldet sich das Weiße Haus. Nixon ist am Telefon. Der Präsident gratuliert. Er redet Armstrong und Aldrin mit ihren Vornamen an. Nixon sagt, er hoffe, die Monderoberung werde dem Frieden auf Erden dienen. Er erklärt den 21. Juli zum nationalen Feiertag. Armstrong ist hörbar bewegt. Erst schluckt er, dann dankt er dem Präsidenten. Zum Abschied sagt Nixon: „Ich hoffe, Sie am Donnerstag auf der Hornet wiederzusehen.“ Hornet ist der Flugzeugträger, der die Crew am 24. Juli nach 195 Stunden, 18 Minuten und 22 Sekunden Abwesenheit von der Erde im Pazifischen Ozean bergen wird.

Vor der Rückkehr zur Mondfähre stellen Armstrong und Aldrin zwei weitere Messinstrumente auf. Ein Seismometer soll Mondbeben registrieren und die Daten per Telemetrie zur Erde senden. Das Gerät übersteht die erste kalte Mondnacht nicht. Dafür funktioniert nach einigen vergeblichen Versuchen der Laserreflektor. Mit ihm kann die Entfernung zwischen den beiden Himmelskörpern bis auf wenige Zentimeter genau gemessen werden. Armstrong und Aldrin erledigen ihre Aufgaben mit Akribie. Houston ist begeistert von seinen Außenirdischen – und besorgt zugleich. Das Kontrollzentrum fordert zur Umkehr auf, mehrmals: „Go back.“ Vergeblich. Der Rückruf verhallt im All.

Die Astronauten genießen die Fremde. Der endliche Sauerstoffvorrat zwingt sie zum Abbruch des Ausfluges. Sie bauen den Sonnenwindmesser ab, packen ihn ein. Um 5.57 Uhr MEZ steigt Aldrin wieder in die Mondfähre. Er schaut zurück, sagt: „Adios amigo.“ Armstrong folgt ihm. Mit einem Seilzug, unter größter Kraftanstrengung und 160 Herzschlägen pro Minute, zieht er die Gesteinsbehälter in die Kabine. Um 6.11 Uhr MEZ schließt Armstrong die Luke. Sein Mondspaziergang hat zwei Stunden und 13 Minuten gedauert. Kurz danach öffnet er die Tür erneut. Armstrong und Aldrin werfen ihre Lunar Overboots in Plastikbeuteln raus, dazu Ausrüstungsgegenstände und allerlei Müll. Danach ruhen sie sich aus. Schlafen können sie nicht. Um 18.45 Uhr MEZ startet Aldrin das Haupttriebwerk der Fähre zum Abheben vom Mond. Er benötigt dazu einen Filzstift. Den Schalter hatte er beim Verlassen der Kapsel mit seinem Tornister abgerissen Um 22.35 Uhr MEZ dockt der Eagle in der Mondumlaufbahn wieder an die Columbia an. Armstrong und Aldrin kehren ins Mutterschiff zurück. Collins nimmt sie in die Arme. „Great job“, sagt er.

Zweieinhalb Monate nach der Rückkehr zur Erde erhält Aldrin von der Nasa seine Reisekostenerstattung. Sie beträgt 33,31 Dollar. Aufgeführt ist die Route: Houston – Cape Canaveral – Mond – Pazifik. Die Summe kann niemand erklären. Aldrin rahmt sich die Bescheinigung ein und hängt sie in seinem Wohnzimmer auf.