Meist bleibt die Infektion harmlos. Aber es gibt eine hohe Dunkelziffer. Ein Virologe erklärt, warum das sogar von Vorteil ist.

Jetzt hat auch Europa das erste Todesopfer durch die Mexiko-Grippe: eine 38 Jahre alte Frau aus Schottland, die vor zwei Wochen ein Kind geboren hat - fast drei Monate zu früh. Gestern starb auch das Baby, allerdings nicht am Mexiko-Virus.

Wieso ist die Frau gestorben?

Die Patientin, Mutter von zwei weiteren Kindern, war eine von zehn Patienten, die im Royal Alexandra Hospital in Paisley bei Glasgow wegen Mexiko-Grippe behandelt worden waren. Sie war wegen anderer Gesundheitsprobleme seit Längerem in Behandlung. Am Sonntag war sie an dem H1N1-Virus gestorben.

Steigt jetzt das Todes-Risiko?

Dieser Einzelfall sagt noch nichts über den weiteren Verlauf der Pandemie. Generell gilt: Mit zunehmender Zahl von Infizierten sind auch mehr Todesfälle zu erwarten. Dennoch warnen Experten vor Panik. Der Tod eines Patienten in Europa sei "früher oder später zu erwarten" gewesen, sagte der Bakteriologe Hugh Pennington von der Universität Aberdeen. "Das heißt nicht, dass das Virus gefährlicher wird." Der Virologe John Oxford betonte: "Die Chancen, sich das Virus einzufangen, sind gering." Eine Welle von Erkrankungen erwarten Experten im Herbst, wenn die reguläre Grippesaison beginnt.

Wie viele Menschen sind infiziert?

Großbritannien ist das Land mit den meisten Mexiko-Grippefällen in Europa, derzeit mindestens 1261, davon rund 500 in Schottland. In Europa wurden mehr als 2200 Infektionen registriert, 170 in Deutschland. Die schottische Gesundheitsministerin Nicola Sturgeon sagte: "Der Todesfall ist tragisch, aber die Mehrzahl derer, die H1N1 haben, weisen relativ milde Symptome auf." Auch der Virologe Prof. Peter Wutzler vom Uniklinikum Jena hält die Mexiko-Grippe für "noch relativ ungefährlich": "Wir müssen bedenken, dass wir auch bei einer normalen Grippewelle etwa 8000 bis 10 000 Todesfälle in Deutschland haben", sagte er.

Hohe Dunkelziffer

Der Virologe aus Jena geht von einer sehr hohen Dunkelziffer an Infizierten aus - wegen der oft geringen Symptome. Das sei in gewissem Sinne ein Vorteil: "Die Ausbreitung ohne Symptome wird zur Durchimmunisierung der Bevölkerung führen." Wenn viele Menschen immun seien, könne das Virus keine gefährliche Seuche in Europa auslösen. "Ob Impfstoffe für die gesamte Bevölkerung jemals zum Einsatz kommen, ist noch ungewiss - wenn bis dahin große Teile der Bevölkerung durchimmunisiert sind."

Wo liegt die größte Gefahr?

Wutzler, der als Präsident der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung von Viruskrankheiten (DVV) in die Pandemieplanung des Bundes einbezogen ist: "Ein Problem wäre, wenn das Virus sich mit anderen Grippeviren mischen würde." Auf der Südhalbkugel gebe es die Gefahr schon, denn da ist Winter mit entsprechender Zirkulation der saisonalen Grippeviren. Bisher aber sei "das Virus geblieben, wie es ist".

Wie ist die Lage in Deutschland?

Eine Dresdner Kita wurde vorübergehend geschlossen, nachdem ein dreijähriges Mädchen erkrankt. Die Zahl der Mexiko-Grippefälle in Deutschland stieg bis gestern auf 172, allein in Düsseldorf sind es 84, darunter 65 Schüler der Japanischen Schule. Auch bei fünf Eltern, zwei Nachhilfelehrern und einem Busfahrer, der die Kinder auf einer Klassenfahrt nach Hessen und Thüringen begleitet hatte, wurde das Virus nachgewiesen

Krank ohne Kontakt zu Infizierten

In Frankreich traten erstmals Erkrankungen auf ohne erkennbaren Kontakt zu Infizierten. Experten sehen das als Anzeichen, dass sich das Virus in Frankreich großflächig verbreiten könnte. Den sieben Schülern im Alter von elf bis zwölf Jahren, die am Wochenende ins Krankenhaus kamen, gehe es aber gut, teilte die Purpan-Klinik im südfranzösischen Toulouse mit.

Selbst die abgelegenen Salomonen-Inseln im Südpazifik meldeten gestern ihren ersten Mexiko-Grippe-Fall. (HA)