Ein Gespräch mit zwei Architekten aus unterschiedlichen Generationen über die Schönheit von Nachkriegsbauten, die Entwidmung und Neugestaltung Hamburger Kirchen.

Der Hamburger Architekt Professor Friedhelm Grundmann (83) hat in der Nachkriegszeit mehrere Kirchen im Stil der Klassischen Moderne in Norddeutschland errichtet. Der Architekt Matthias Schmidt (47) ist Mitglied im Bauausschuss der Nordelbischen Kirche und hat unter anderem die Eimsbüttler Christuskirche umgebaut.


Abendblatt:

Welche Kirche ist Ihr architektonischer Liebling in Hamburg und warum?

Professor Friedhelm Grundmann:

Der Michel. Da stimmt außen und innen alles.



Matthias Schmidt:

Mir gefällt Katharinen besser als eine protestantische Predigthalle mit diesen großen Elefantenfüßen und den riesigen Stützen. Diese große weiße Halle ist für mich ein Inbegriff des Kirchenbaus.



Abendblatt:

Welche Rolle spielt im modernen Kirchenbau noch die christliche Symbolik?

Grundmann:

Die Begriffe Symbolik und Mystik waren den Architekten in der Nachkriegsphase Deutschlands relativ fremd.


Doch ich glaube, dass die Lichtführung eines der wichtigsten Mittel ist, um Räume liturgisch zu gestalten.


Abendblatt:

Braucht ein Kirchenbau eine gewisse Ausstrahlung?

Schmidt:

Ein Grundanliegen im Kirchenbau der heutigen Zeit, wie auch in der Vergangenheit, ist es, die Emotionen der Menschen anzusprechen.



Grundmann:

Geborgenheit ist für mich ein zentraler Punkt. Einen Raum zu schaffen, der sich bewusst aus der lauten Welt heraushebt, ist ein Urbestreben des Kirchenbaus. Bei mir gab es nie einen direkten Einblick in die Kirche, sondern hoch liegende Fenster.



Abendblatt:

Aber wenn man sich die Nachkriegskirchen aus Beton anschaut, sind das wirklich Bauten, die einladend wirken?

Schmidt:

Ich finde schon, aber sicher hat es da auch eine Veränderung in der Wahrnehmung gegeben. Man hat in der Nachkriegszeit einen Bruch erfahren, und den wollte man auch umsetzen.


Der Beton und die kubischen Räume, die in der Nachkriegszeit üblich waren, stellen sicher eine unglaubliche Radikalität dar.


Abendblatt:

Welche dieser Nachkriegsbauten halten Sie heute noch für gelungen, welche weniger?

Grundmann:

Schön finde ich die eher klassischen Bauten, die Kirche noch als Kirche erscheinen lassen, wie die Dreifaltigkeitskirche in Hamm. Auch die zu meinem Entsetzen geschlossene Bethlehemkirche von Joachim Matthaei ist wunderbar.



Schmidt:

Die Bethlehemkirche in Eimsbüttel halte ich auch für gelungen, wir werden da einen kirchlichen Kindergarten einbauen.


Allerdings gab es in den 50er- und 60er-Jahren ja einen fast inflationären Kirchenbau, bei dem sicherlich nicht alles von hoher Qualität war. Es wurden viele Kapellen oder kleine Kirchen gebaut, die in der Hamburger Metropolregion wie auch im Umland nicht mehr genutzt werden.


Abendblatt:

Sie, Professor Grundmann, haben den Backsteinkirchen 1966 einen weißen Klotz entgegengesetzt. Wie war die Reaktion darauf bei den Hanseaten?

Grundmann:

Ich hatte einen Pastor als Bauherrn, der meinte, eine evangelische Kirche sollte in dieser armseligen Zeit etwas vom Stall von Bethlehem haben. Aber sie hat darunter gelitten, dass sich dort keine richtige Gemeinde gebildet hat.



Schmidt:

Ich hätte mir gewünscht, dass diese Ikonen des 20. Jahrhunderts, zum Beispiel auch die Dreifaltigkeitskirche von Riemerschmid, mehr städtische Anbindung gehabt hätten.



Abendblatt:

Architekten konnten in der Nachkriegszeit mit historischen Kirchenräumen machen, was sie wollten. Hat das den Räumen gutgetan?

Schmidt:

Heute gäbe es nicht mehr diese Radikalität des Umbaus. Das hat sich gewandelt. Wir Jungen sind keine unmodernen Architekten, aber wir haben vielleicht eine andere Haltung zum Beispiel zur Neugotik oder zu Ornamenten, eben zu historischen Strukturen, die wir finden. Wir versuchen, sie in neue Dialoge hineinzubringen, in einen architektonischen Zusammenhang.



Grundmann:

Die Pastoren wollten damals raus aus den alten Mauern, alles neu haben. Wir fanden die Altäre zum Beispiel aus dem Ende des 19. Jahrhunderts grauenvoll und verkitscht.



Abendblatt:

Wie sehen Sie dann die Neugestaltung der Eimsbüttler Christuskirche, die aus dieser Zeit stammt?

Grundmann:

Die Renovierung gefällt mir, aber ich hätte lieber die Bethlehemkirche als die künftige Gemeindekirche in Eimsbüttel gesehen.



Schmidt:

Der Wiederaufbau der Christuskirche 1956 war lieblos und detailarm. Es gab über allem einen blaugrauen Anstrich, der die Architektur von Johannes Otzen vollkommen negierte. Wir haben die roten Backsteine freigelegt und die Flächen daneben weiß gekalkt. Der Raum erzählt jetzt wieder eine Geschichte.



Grundmann:

Es gibt sicherlich heute ein völlig neues Umgehen mit historistischer Bausubstanz. Was heute geschützt ist, stand damals nicht unter Denkmalschutz. Der kostet auch eine ganze Menge Geld, Kraft und Zeit.


Und in der Nachkriegszeit wurde vor allem rangeklotzt, um für 5000 Menschen jeweils ein neues Gemeindezentrum zu schaffen. Das war eine Idee der Nachbarschaften. Die hat jedoch nicht funktioniert.


Abendblatt:

Deswegen wurden einige Kirchen jüngst entwidmet. Wo ziehen Sie die Grenze bei der Umnutzung von Kirchen?

Grundmann:

Ideal ist es, wenn die Kirche von einer anderen christlichen Gemeinde wie den Griechisch- oder Russisch-Orthodoxen genutzt wird, wie jetzt die von mir gebaute Simeonkirche. Die ist nun an Sonntagen voll, das finde ich schön. Was ich schlimm finde ist, wenn daraus eine Kneipe gemacht wird, mit dem Altarraum als Bar. Im Zweifel sollte man die Kirche dann lieber abreißen.



Schmidt:

Mit einer Kneipe hätte ich meine Probleme, kulturelle Nutzung, kein Problem.