Die Kirche wird umfunktioniert zum Gottesdienst- und Gemeindezentrum - das ist der neueste Trend in Hamburg.

Kirchengemeinden müssen sparen - und effektiv und nachhaltig sparen kann man nur dann, wenn man bei den wirklich kostenintensiven Positionen ansetzt. Für Kirchengemeinden sind dies vor allem die Gebäudeunterhaltungskosten. Es ist leicht vorstellbar, was für Unsummen an Heizungskosten und Bauunterhaltung eine Kirche kostet, die nur wenige Stunden in der Woche für den Gottesdienst genutzt wird. Der kirchengemeindliche Alltag indes spielt sich in den Gemeindehäusern ab. Sie entstanden im ausgehenden 19. Jahrhundert als bauliche Umsetzung der wachsenden gruppenspezifischen Gemeindearbeit.

Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg bekamen fast alle Kirchengemeinden neben den Kirchen ihre Gemeindehäuser mit dem Gemeindebüro. Sie sind das Zuhause einer Vielzahl von Gruppen wie Konfirmanden, Chormitgliedern oder Müttern.

Die Gemeindehäuser sind eine Art weltliches Alltagsgebäude neben dem für den Gottesdienst reservierten Raum. Darum liegt es aus Spargründen nahe, aus zwei verschiedenen und getrennten Gebäuden eines zu machen, in dem beides Platz und Raum hat und sich auch viel direkter aufeinander beziehen kann.

Neu ist die Idee nicht. Bereits in den 60er- und 70er-Jahren wurde die Idee mit dem Bau von sogenannten Gemeindezentren umgesetzt, vor allem in den damals entstehenden großen Neubaugebieten wie Mümmelmannsberg, Steilshoop oder dem Osdorfer Born. Es wurden multifunktionale Gemeindehäuser gebaut, in deren Sälen am Sonntag der Altar auf die richtige Stelle geschoben wurde, um Gottesdienste zu feiern. Es gab keinen ausgewiesenen sakralen Bereich, der nur der gottesdienstlichen Nutzung vorbehalten war, keinen Kirchennamen und keinen Glockenturm. Allerdings gingen diese Gebäude als Kirchen offensichtlich am Bedürfnis der Menschen vorbei. Denn im Laufe der Zeit wurden diese Weltlichkeiten zurückgenommen und die Gemeindezentren so gut es ging wieder "kirchlicher" gemacht. Sie erhielten einen Kirchennamen und einen Kirchturm, damit sie als Kirchen erkennbar würden. Der Hauptraum wurde nur noch für Gottesdienste benutzt. Menschen brauchen, um Religion ausüben zu können, Räume, die aussehen, wie eine Kirche eben aussieht.

Aus diesen Erfahrungen heraus und auch aus pragmatischen Gründen wird gegenwärtig viel über den gleichsam umgekehrten Weg nachgedacht und dieser auch umgesetzt. Nicht ein Gottesdienstraum wird in ein Gemeindehaus integriert, sondern eine Gemeinde zieht ganz in ihre Kirche ein. Nötige Räume werden entweder an die Kirche angebaut oder in die Kirche eingebaut. Seitenschiffe und Emporen werden abgetrennt und in Gruppen- und Büroräume umgewandelt. Der gottesdienstliche Raum wird dabei oft auf ein Maß reduziert, das der Anzahl der regelmäßigen Gottesdienstbesucher entspricht. In Hamburg gibt es bereits einige Beispiele: Die Epiphanienkirche in Winterhude wurde 2002/2003 zu so einem flexiblen Raum für kirchliche und gemeindliche Arbeit umgestaltet. In die Friedenskirche in Altona sind die Gemeinde- und Büroräume eingezogen. Und auch in der St.-Petri-Kirche in der Innenstadt werden derzeit Amtszimmer und Gemeinderäume in den Kirchenraum eingebaut.

Aber eben nicht nur ökonomisch macht dieses Konzept Sinn: Den kirchengemeindlichen Alltag in die Kirche zu holen bedeutet, diese jeden Tag mit Leben zu füllen. Einerseits mit dem geschäftigen Alltag und mit Menschen, die die Kirche als Ort der Einkehr aufsuchen. Die Kirche bleibt als Kirche erkennbar. Doch findet man dann die Angebote und Ansprechpartner wie Pastorinnen, Diakone und Sekretärinnen verlässlich dort, wo man sie auch zuerst vermuten darf: in der Kirche selbst.