Egal, auf welchem Kanal eine Geschichte zu uns kommt: Sie muss leidenschaftlich sein und glaubwürdig. Und: Auch guter Internet-Journalismus braucht eine starke Marke als Homebase.

Dietmar Schönherr ist ein wunderbarer Mann. Er trägt einen pyjamaartigen Raumanzug und hantiert mit Instrumenten, die so futuristisch aussehen wie die Henkel eines Bügeleisens. Und darum ist der Mann auch eine Ikone: ein Symbol für den ästhetischen Reiz unseres Blickes auf das "Morgen", die Zukunft. Wie "Raumpatrouille" sah sie damals, in den 60er-Jahren, aus, die Zukunft. Oder - noch sinnlicher - wie Barbarella. In jedem Falle war sie unbeschreiblich schön, diese Vision - und ungeheuer technisch.

Doch beginnt nicht genau hier der Fehler? Der schiefe Blick jeder Prognose? Wenn wir uns heute fragen, "Wie sieht die Zeitung von morgen aus?", dann scheint wieder einmal die Technik die einzige Straße zu sein, über die unsere Fantasie in die Zukunft wandert. Ist das richtig? Für Zeitungsjournalisten wäre das ein schwer erträglicher Zustand. Und für viele Zeitungsleser auch.

Denn der Blick durch das Fernrohr des technischen Fortschrittes zwingt uns in eine seltsame Debatte, die kaum einer noch führen mag. Papier oder Bildschirm? Zeitung oder Internet? Klicken oder blättern? Muss die Frage nicht lauten: Warum klicken oder blättern wir überhaupt? Was wollen wir eigentlich finden, wenn wir ein Medium in die Hand nehmen? Hier drei Antworten, warum wir nach sechs Jahrzehnten Abendblatt glauben, dass wir auch in Zukunft vor allem eines tun werden: lesen!

Erstens: Wir machen das Menü - Sie wählen aus.

78 Prozent der Deutschen halten laut Emnid eine gedruckte Tageszeitung auch in Zukunft für unverzichtbar. Vielleicht irren sie sich. In einem jedoch irren sie sicher nicht: Drei Viertel der Befragten bezeichnen die Informationsflut als "erdrückend und nicht zu handhaben". Das übrigens hat vor einem Vierteljahrhundert tatsächlich einer vorhergesagt. Der US-Zukunftsforscher John Naisbitt meinte vor 25 Jahren, die Welt von morgen werde in Information ertrinken und nach Wissen dürsten. Er hatte recht.

Eines ist klar: Mit dem Internet ist Information weltweit noch verfügbarer geworden, und Kommunikation damit noch demokratischer. Journalisten sind keine Gatekeeper mehr, die auf Nachrichten sitzen bleiben und darüber entscheiden können, wer wann was liest.

Wer alles suchen will, der wird im Netz (fast) alles finden. Doch wer hat schon Zeit und Lust, jeden Tag "alles" zu suchen? Wir werden auch in Zukunft täglich (stündlich?) die Medienwelt betreten wie ein gutes Restaurant: Appetit macht, was auf der Karte steht. Der Journalist muss ein gutes Angebot auftischen. Er muss die Zutaten auswählen, sortieren, einordnen, bewerten. Und wenn dieses Angebot stimmt, wenn es unseren Geschmack, unsere Bedürfnisse trifft, das Wichtigste ebenso enthält wie das Neue und uns immer wieder ein bisschen überrascht, dann werden wir auch in Zukunft wiederkommen.

Zweitens: Die Geschichte zählt!

Einen wunderbaren Blick in die mögliche Welt von morgen verdanken wir Joanne K. Rowling. Wenn Harry Potter Zeitung liest, dann sind die Fotos, die er auf den Seiten sieht, kleine Filme. Er sieht Menschen, die sich bewegen, die winken und sprechen. Könnte er nicht mit einer sanften Berührung des Fingers auf den Text die Stimme des Mannes hören, über den geschrieben wird? Oder sich den Wortlaut der großen Rede hochladen, die dieser Mann vor Kurzem gehalten hat? Oder eine kurze Nachricht senden an den Autor der Geschichte?

Ja: Könnte er. All das ist schon da und ist eben doch Technik. Vor allem aber könnte das sehr, sehr spannend werden für uns, die Leser von morgen. Und für uns Journalisten. Denn: Eine Geschichte zu erzählen mit dem Wort, dem bewegten Bild und dem echten Ton bedeutet in Wahrheit das Füllhorn all dessen auszuschütten, was Journalismus spannend macht. Egal, welche Erfindungspirouetten die Technik noch drehen wird oder wie dünn das digitale Papier und wie schmeichelnd die Touchscreens der Handys in Zukunft sind, eines wird am Ende zählen: Wie gut ist die Geschichte, die da erzählt wird? Und: Von welcher Marke in der bunten Welt der Medien kann ich diese Geschichte am ehesten erwarten?

Denn es ist am Ende die Glaubwürdigkeit dieses Versprechens, das eine Zeitung, ein Web-Portal oder eine Fernsehsendung dem Kunden macht, die über den Erfolg entscheidet: Werden sie mir jetzt, heute, eine gute, wichtige, glaubwürdige Geschichte erzählen, die mich interessiert, weil sie mich betrifft? Niemand hat eine so wunderbare Chance, dieses Versprechen auch in Zukunft zu erfüllen, wie eine Redaktion, die nicht nur Nachrichten im Auge hat, sondern ihre Stadt im Blut.

Drittens: Wir kämpfen besser als jeder Algorithmus.

Der eigentliche Witz im Web ist die Interaktion. Aktualität kennen wir schon: Das Radio ist meist schneller als jedes andere Medium. Neu sind Masse und Geschwindigkeit an direktem Austausch im Netz. Der bildet Gemeinschaften und schafft neue Nachrichten. Doch die werden nur etwas bewegen, wenn sie aus der Welt der Millionen einzelner, oft privater Foren und Blogs in einen öffentlich sichtbaren Diskurs gelangen. Und das werden sie nur, wenn sie sich zu einer Stimme verdichten, die durchdringt in der weiten See digitaler Informationen. Wie der Stimme einer starken Medienmarke. Erst wenn diese Marke eine Persönlichkeit entwickelt, wird sie dem einzelnen Menschen zum Partner. Zum Beispiel in Hamburg.

So wird also auch auf der Suche nach dem Morgen der Zeitung einiges darauf ankommen, dass wir zwischen Bits und Bytes eines nicht verlieren: Leidenschaft. Schließlich hat sie auch Barbarella am Ende geholfen auf ihrer Odyssee durch das All. Der Designertraum einer Future-Frau muss sich eben verlieben, um zu überleben. Auch wenn für die Flucht am Ende natürlich ein Raumschiff nötig ist.