Das World Wide Web wurde gerade drei Jahre alt, da wurde www.abend blatt.de geboren. Damals wurde man noch schief angeschaut, wenn man...

Das World Wide Web wurde gerade drei Jahre alt, da wurde www.abend blatt.de geboren. Damals wurde man noch schief angeschaut, wenn man unvorsichtigerweise sagte, man gehe mit dem Browser surfen. Windows 95 war gerade auf den Markt gekommen. Das Klon-Schaf Dolly erblickte in Schottland das Licht der Welt, und dem kleiderschrankgroßen Computer Deep Blue gelang es als erstem Rechner, einen amtierenden Schach-Weltmeister zu besiegen.

Es gab langsame Modems statt schneller DSL-Verbindungen. An UMTS oder Wireless LAN war gar nicht zu denken. Im Internet bewegten sich die technikverrückten und nicht die normalen Menschen.

Am 30. November 1996 ging das Hamburger Abendblatt als eine der ersten Regionalzeitungen ins Internet.

Damals gründete der Verlag Axel Springer eigens einen Online-Dienst namens "GO ON", der gemeinsam mit T-Online betrieben wurde. Die Pionierarbeit bei www.abendblatt.de wurde von einer Handvoll Kollegen übernommen. Der erste Abendblatt-Server stand in einem Abstellraum hinter den Fahrstühlen im Redaktionsgebäude. Während die Zeitungsredaktion des Abendblattes noch an einem monochrom grünen und bilderlosen Großrechnersystem namens Atex (das beim Abendblatt ARTUR hieß) arbeitete, surften die Online-Kollegen bereits an Personalcomputern. Das waren noch so wenige, dass sie keine Nummern hatten, sondern nach den Planeten des Sonnensystems benannt wurden: Mars, Pluto, Merkur, Venus, Erde - der Hauptrechner hieß übrigens Sonne.

Klingt idyllisch, dabei war es harte Pionierarbeit: Die Texte für Abendblatt Online mussten aus dem nur für die Zeitungsproduktion entwickelten Redaktionssystem per Hand in das vom Physiker Tim Berner-Lee am Kernforschungszentrum CERN in Genf entwickelte World Wide Web kopiert und formatiert werden. Bis in die Nacht hinein saßen die Kollegen daran, möglichst viele Artikel aus der Zeitung ins digitale Format des Internets zu übertragen. Technisch gesehen stießen zwei Welten aufeinander.

Nicht nur technisch: Mit einer sechsteiligen, jeweils ganzseitigen Serie erklärte das Hamburger Abendblatt damals seinen Lesern, was das World Wide Web eigentlich ist, wie es entstand, was man dort alles machen kann und natürlich, wie man mit dem Modem hineinkommt. Wer in den digitalen Kindertagen auf www.abendblatt.de surfte, begegnete nicht selten einem kleinen Bild, das einen Mann mit Schaufel und einem Sandhügel zeigte. Das Bild zeigte, was Abendblatt Online war: eine digitale Baustelle.

Nach dem Start kamen Tag für Tag immer mehr Texte und Service-Angebote hinzu. Bereits nach 100 Tagen war das Abendblatt im Netz mehr als eine Million Mal angeklickt. Im kommenden Monat wird www.abendblatt.de zwölf Jahre alt. Klingt jung - an einem Tag, an dem das Hamburger Abendblatt seinen 60. Geburtstag feiert. Im Zeitalter von Google, iTunes und YouTube aber ist das verdammt erwachsen. Die haben alle später das Licht des World Wide Web erblickt ...