Christlicher Glaube und Naturwissenschaften sind für den Planetariumsdirektor Thomas W. Kraupe kein Widerspruch. Denn noch gibt die Schöpfung genügend Rätsel auf.

Träumt ein Planetariumsdirektor von einem Flug ins All? "Natürlich", sagt Thomas W. Kraupe, seit Ende 2000 Direktor des Hamburger Planetariums im Stadtpark. "Aber wenn schon, dann mindestens von einem Flug zum Mond! Ich würde gerne die schöne Erde als frei schwebende Kugel im All sehen, wie damals die Apollo-Astronauten."

Mit dem Wettlauf zum Mond begann die Liebe des gebürtigen Bambergers zum Weltall. "Ich habe damals alles gesammelt und habe heute noch die Bilder und Zeitungsausschnitte", schwärmt der 52-Jährige. "Das war ein einzigartiger Aufbruch zu neuen Horizonten."

In einem ist sich der Astrophysiker sicher: "Ohne Raumfahrt wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin." Aber auch nicht ohne seinen Glauben: "Das Nachdenken und Rätseln über die Schöpfung hat mich in Bewegung gesetzt und lässt mich als Fragender und Forschender unterwegs sein. Wenn ich ein Nihilist wäre und an die Sinnlosigkeit glauben würde, dann könnte ich meine Arbeit nicht machen."

Sind die Astronomen, die Wissenschaftler denn nicht die Entzauberer des Himmels? "Im Gegenteil!", ruft er. "Der Himmel eröffnet uns viele neue Perspektiven auf uns selber. Es begeistert mich zu erkennen, dass das Oben und das Unten miteinander verknüpft sind. Wir sind Sternenkinder. Der Himmel ist nicht nur um uns, sondern buchstäblich auch in uns. Die Geschichte eines jeden Atoms in uns ist eine Geschichte, die der Kosmos von Beginn an geschrieben hat."

Die alten Mythen hätten schon die Einheit allen Seins erahnen lassen, die Schöpfungsgeschichte ebenso wie die anderer Kulturen, "gleichnishaft in Bildern ausgedrückt. Auch die heutige Wissenschaft muss ihre Erkenntnisse mittels gleichnishafter Bilder in unseren Wahrnehmungsraum übersetzen." Was sein persönliches Gottesbild betrifft, so hält es Kraupe mit Albert Einstein: "Ich glaube nicht an einen Gott, der sich um Wohl und Wehe des Menschen kümmert, sondern an einen Gott, der sich in der Harmonie des Seins manifestiert." Und der, da ist er sich sicher, "wohnt nicht auf Wolke sieben!"

Für einen, der hauptberuflich in die Sterne guckt, ist Kraupe erstaunlich erdverbunden. Und so vermisst der leidenschaftliche Bergsteiger natürlich seine Berge. "Aber hier im Norden ist es das Kraftfeld der Meere, das mich bewegt. Berge, Meer und Sterne - elementare Erlebnisse, die ich verbinden möchte."

Schon früh weckten die Eltern die Liebe zur Natur in ihren beiden Söhnen, eine recht unbeschwerte Kindheit und Jugend in den bewegten 60ern und 70ern. "Eine unruhige Zeit, es wurde viel diskutiert an den Schulen." Auch in seinem Religionsunterricht. Doch noch stärker prägte ihn der Pfarrer seiner damaligen Münchner Kirchengemeinde St. Thomas Morus, mit dem ihn heute eine große Freundschaft verbindet. 85 Jahre alt sei Monsignore Erwin Hausladen mittlerweile und immer noch im Dienst, mit dem jetzigen Papst seit Langem befreundet. "Ein kritischer, moderner Geist, aber von einer tiefen Menschlichkeit und Wärme."

In dieser jungen Kirchengemeinde fand Kraupe Anschluss an eine Jugendgruppe, die im heutigen "Integrationszentrum für Cerebralparese" spastisch behinderte Menschen betreute. "Jahrelang bin ich einmal in der Woche da gewesen", erzählt er. Er erinnert sich, mit einem behinderten Freund Stanley Kubricks Filmopus "2001 - Odyssee im Weltraum" angesehen zu haben. "Wir haben anschließend begeistert diskutiert. Und es hat mich bewegt: Da sitzt ein behinderter Mensch im Rollstuhl und kann trotzdem mit derselben Begeisterung auf Reisen gehen, im Kino, in Büchern - oder auch im Planetarium!"

Besonders Kinder seien fasziniert von der neuen Weltsicht, die ihnen das Planetarium erschließt. "Sie wollen weit hinaus fliegen zu den Sternen, wollen wissen, ob es Außerirdische gibt - nur nach Gott hat mich noch keiner gefragt. Eigentlich erstaunlich", sagt Kraupe. "Es gibt wohl zu wenig Austausch zwischen den beiden ,Polen' Glauben und Wissen. Die Geisteswissenschaften und die Naturwissenschaften sind zu strikt voneinander getrennt." Für einen aktiven Dialog setzt sich sein Planetarium seit einiger Zeit ein - mit der Reihe "Mensch - Kosmos - Transzendenz".

Vielleicht fasziniert Kraupe deshalb das Erlebnis des Astronauten Michael Collins so sehr, der 1969 bei der Apollo-11-Mission zwar nicht den Mond betrat, ihn aber umrundete. "Als er auf der anderen Seite des Mondes war, wurde ihm klar, dass damals drei Milliarden Menschen auf der einen Seite des Mondes waren - während, wenn er in die andere Richtung blickte, es wahrhaftig nur ihn und den Rest des Universums gab. Er fühlte sich nicht allein, sondern genoss es. Eine bewegende Erfahrung, die den Menschen verändert! Ich wünschte mir daher, dass noch mehr Erdenbürger solche Perspektivwechsel erleben könnten." Die beste Annäherung daran, davon ist Kraupe überzeugt, kann man im Hamburger Planetarium erfahren.


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