Die Nachricht aus Antalya löste in seiner Heimatstadt Freudentränen aus. Welche Rolle spielte Vural Öger?

Antalya. Dunkel war es schon, nasskalt und feucht, als Marco W. am Freitagnachmittag die letzte Rückfahrt zum Gefängnis antrat, um seine Sachen zu packen und die Entlassungsdokumente zu unterschreiben. Die Frühlingssonne hatte noch auf Antalya geschienen, als der Uelzener Schüler im April erstmals in türkische Haft eingeliefert wurde.

Fast genau acht Monate verstrichen in der Untersuchungshaft. Marcos Mitschüler haben seither ihren Schulabschluss gemacht, die Sommerferien genossen und einen neuen Lebensabschnitt begonnen, doch für Marco blieb die Zeit stehen. Acht Monate blieb er hinter Gittern, während Juristen, Diplomaten und Politiker in drei Ländern darüber stritten, was zwischen ihm und einem 13-jährigen Mädchen im Hotelbett geschah.

Aufgeklärt ist das noch immer nicht: Ob da zwei Teenies herumknutschten oder ob Marco W. sich an einem minderjährigen Mädchen verging, hat das Schwurgericht in Antalya noch immer nicht feststellen können. Wegen der Schwere des Schuldvorwurfs und wegen der Fluchtgefahr hatten die Richter den deutschen Schüler bisher nicht freilassen wollen. Was sie am achten Verhandlungstag bewegte, diese Entscheidung zu revidieren und Marco sogar die Ausreise nach Deutschland zu erlauben, blieb zunächst unklar. Beobachtern am Gericht in Antalya fiel allerdings auf, dass der Hamburger Tourismusunternehmer Vural Öger, der für die SPD im Europa-Parlament sitzt, vor der Verhandlung mit eigenen Anwälten bei Gericht gesichtet wurde. Am Abend zuvor hatte er Marco angeblich besucht und auch mit dem Richter gesprochen.

Durch die Vordertür des Gerichtssaals kam Marco W. trotz Aufhebung des Haftbefehls nicht heraus: Formell werden Freilassungen immer erst im Gefängnis vollzogen, in die entlassene Häftlinge deshalb erst einmal zurückgebracht werden. Erst am Abend sollte der junge Deutsche das Gefängnis in Yeniköy bei Antalya endgültig verlassen dürfen, um mit seinem Vater schnellstmöglich aus der Türkei auszureisen.

Der Vater konnte die Freilassung kaum fassen. Das deutsch-türkische Verteidigerteam und er fielen sich sich in die Arme. "Von mir werden sie nichts hören außer: Wir sind glücklich", sagte er. Doch der Andrang ist schnell so groß, dass Vater und Anwälte erst nach fast fluchtartigen Szenen im Auto davonfuhren.

Erst bei der Ankunft in Deutschland wird Marco seine Mutter umarmen können. Martina Weiss war zum achten Verhandlungstag erstmals nicht mit nach Antalya gereist, weil sie ihre Überstunden für den Fall aufsparen wollte, dass Marco über Weihnachten in Haft geblieben wäre. Vor seinem Elternhaus in Uelzen brannte schon am Freitagmorgen eine Fackel. Seine Freunde und Unterstützer hatten sich in der Nähe, vor der backsteinernen St.-Petri-Kirche, versammelt. Sie sangen das Lied, das sie für Marco geschrieben hatten, hoffen auf seine Heimkehr.

Als die Dämmerung einsetzt, erhalten sie die erlösende Nachricht. Nach Stunden des zermürbenden Wartens fließen Tränen, Sektkorken knallen und die Menschen liegen sich in den Armen. "Das ist für den Jungen ein Segen, dass er raus ist", sagt Siegfried Rabenau von der Initiative "Freiheit für Marco".