Nikosia. Alle Zeichen stehen in der Republik Zypern auf Euro. Am 1. Januar bekommt die Insel die europäische Gemeinschaftswährung, überall hängen Informationsplakate mit den Abbildungen der Münzen und dem Umrechnungskurs (ein Euro entspricht 0,585 zyprischen Pfund), an vielen La-dentüren weisen gelbe Aufkleber darauf hin, dass dieses Geschäft fair umrechnen und keine versteckten Preiserhöhungen vornehmen will. Zypern ist in Europa angekommen. Die ganze Republik? Nein, denn die Insel ist seit 1974 geteilt in den griechischen Süden und den türkischen Norden. Und eine Wiedervereinigung ist derzeit nicht in Sicht.

"Wir wollen eine Lösung, denn wir leiden unter der Teilung", sagt zwar der Präsident der Republik, Tassos Papadopoulos (73). Aber gleichzeitig stellt seine Regierung Maximalforderungen auf: eine Wiedervereinigung, wonach die griechischen Zyprer, die bei der türkischen Militäroperation 1974 in den Süden flüchteten, wieder in den Norden zurückkehren können, ihren Besitz dort zurückbekommen und die 43 000 türkischen Soldaten aus dem Norden abziehen. Die Sprachregelung des Südens: "Wir wollen eine bi-zonale, bi-kommunale Föderation."

Diese sah der Plan des früheren Uno-Generalsekretärs Kofi Annan vor, aber den lehnten die griechischen Zyprer im April 2004 ab. Begründung: "Unseren Bedenken wurde nicht Rechnung getragen", sagt Papadopoulos der Abendblatt-Reporterin, die sich auf Einladung der Europäischen Kommission auf der Mittelmeer-Insel informierte.

Nun ist die Sache seit mehr als drei Jahren festgefahren, obwohl es seitdem zwei Treffen zwischen Papadopoulos und dem Führer der türkisch-zyprischen Volksgruppe, Mehmet Ali Talat, gab. Eine neue Begegnung ist derzeit nicht geplant, vielleicht bewegt sich nach den Präsidentschaftswahlen im Februar im Süden etwas. "Die griechische Seite spielt auf Zeit", kritisiert Talat gegenüber dem Abendblatt. "Wir brauchen dringend eine Lösung, denn die Trennung verfestigt sich."

In der Tat nimmt die Neigung zur Wiedervereinigung in beiden Teilen der Insel ab. Im Süden stirbt die Generation, die im ungeteilten Zypern lebte, langsam aus. Wer nach 1974 geboren ist, hat nie etwas anderes kennengelernt als den jetzigen Status quo. Eine gewisse Gleichgültigkeit macht sich breit. Hinzu kommt, dass der griechische Teil wirtschaftlich gut dasteht.

Das gilt auch allmählich für den türkischen Teil. Der Tourismus dort läuft gut, außerdem pendeln bis zu 10 000 Bauarbeiter jeden Tag in den Süden. Der Handel zwischen den beiden Inselteilen läuft langsam an, Direktexporte aus dem Norden in die EU sind aber bislang nicht möglich. "Aber die Menschen werden müde, für die Wiedervereinigung zu kämpfen, denn sie merken, dass es ja doch nichts bringt", muss die Anwältin und Menschenrechts-Aktivistin Emine Erk feststellen. "Nach dem Scheitern des Annan-Plans sind sie frustriert."

Zwei Volksgruppen, zwei Sprachen, zwei Religionen, zwei Telefonnetze, aber auch Gemeinsamkeiten wie Linksverkehr oder englische Steckdosen sind Zyperns Alltag. Besonders wichtig ist die Sprachregelung für 1974: Der Süden spricht von Besatzung durch die türkische Armee, der Norden von Befreiung und die Uno, die seit 1964 mit 929 Soldaten und Polizisten den Insel-Frieden mit einer Pufferzone sichert, von militärischer Intervention. Für die griechischen Zyprer gibt es keine Grenze, sondern eine Demarkationslinie oder grüne Linie (green line). Und da die südliche Republik Zypern die nördliche "Türkische Republik Nordzypern" nicht anerkennt - das tut international nur die Türkei -, besteht die Regierung nur aus "sogenannten" Ministern.

Seit vier Jahren gibt es immerhin fünf Checkpoints entlang der etwa 180 Kilometer langen grünen Linie, wo man von Süd nach Nord und umgekehrt fahren kann. "Noch vor Weihnachten wird hier auch aufgemacht", sagt ein Soldat, der auf der türkischen Seite der Ledra Street in der Altstadt von Nikosia auf Posten ist. "Wir haben alles vorbereitet, die Griechen hängen hinterher."

Apropos Türkei: Ankara überweist jährlich 300 Millionen Dollar an Nordzypern, damit der Landesteil über die Runden kommt. Zu den 80 000 türkischen Zyprern kommen etwa 160 000 Festlandstürken, die sich auf der Insel angesiedelt haben. Für das türkische Militär hat Zypern eine ganz besondere Bedeutung - dort wurde 1974 ein Sieg errungen, und zwar der erste seit 1922, als die Türken die Griechen geschlagen hatten. Eine türkische Regierung wird es sich also nie erlauben können, Zypern aufzugeben - es sei denn, der Preis ist der EU-Beitritt. Aber der liegt bekanntlich noch in weiter Ferne.

Die Europäische Union (EU) kann beim Zypern-Konflikt wenig ausrichten - schließlich ist die Republik EU-Mitglied. Zur Angleichung der Lebensbedingungen gibt Brüssel für die nächsten sechs Jahre 259 Millionen Euro für den Norden. Dafür werden Stromnetz und Abwassersysteme modernisiert sowie Minen geräumt.

Völkerrechtlich gesehen liegt der Zypern-Konflikt beim Uno-Sicherheitsrat. Alle sechs Monate verlängert das Gremium die Friedensmission der Blauhelme. Aber die Uno ist auch skeptisch: "Entweder gibt es in den nächsten drei Jahren eine Lösung oder gar nicht mehr", sagt ein Berater.

Zum 1. Januar bekommt der Süden den Euro. Aber acht Wochen vorher sträubt sich dort die Geschäftswelt dennoch, die neue Währung anzunehmen - ganz im Gegenteil zum Norden. Da kann man überall mit Euro statt mit türkischer Lira zahlen. Zumindest währungstechnisch ist der türkische Inselteil also auch in Europa angekommen.