Symbolische Zugeständnisse an Polen und Italien. “Ein historischer Erfolg . . .“

Lissabon. Sechs Jahre lang hatten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union vor und hinter den Kulissen um die Reform der EU gerungen, gemauschelt und gekungelt. Am Freitag erzielten sie beim Gipfel in Lissabon endlich den ersehnten Durchbruch.

Sie einigten sich auf einen Änderungsvertrag, der die 2005 bei Referenden in Frankreich und den Niederlanden gescheiterte EU-Verfassung ersetzen und am 1.1.2009 in Kraft treten soll. "Ein großer Erfolg", lobte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU); EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sprach gar von einem "historischen Erfolg". Doch möglich wurde er nur durch heftiges Tricksen. Polen und Italien ließen sich ihre Zustimmung mit einem Zugewinn an Einfluss im Ministerrat und im Europaparlament abtrotzen. Die übrigen Staats- und Regierungschefs können sich nur daran freuen, dass diese Zugeständnisse rein symbolischer Art sind - und darauf hoffen, dass Polen bis Dezember nicht noch nachlegt. Präsident Lech Kaczynski deutete nämlich unmittelbar nach der Einigung an, bei der Neuverteilung der Sitze im Europaparlament sehe er noch Diskussionsbedarf.

Und Italiens Premier Romano Prodi war zum Gipfel mit der Drohung angereist, dem Kampf um ein zusätzliches Abgeordnetenmandat notfalls den Reformvertrag zu opfern. Die Aussicht, Italien könnte ein bis zwei Abgeordnete im Europaparlament weniger haben als Großbritannien und Frankreich, hatte in Rom eine Staatsaffäre ausgelöst.

Die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft griff daher zu einem Rechentrick. Um Italien seinen zusätzlichen Sitz zu geben, ohne die im Reformvertrag vorgeschriebene Obergrenze von 750 Abgeordneten wieder anzuheben, definierte sie einfach die Rolle des Parlamentspräsidenten um: Der zählt künftig nicht mehr als einfacher Abgeordneter und geht so nicht in die Zahl 750 ein.