Gasprom-Aufsichtsratschef - Der Altkanzler erklärt, er sei gebeten worden. Trotzdem scharfe Kritik auch aus der SPD - Koalition will Ehrenkodex für scheidende Politiker erarbeiten.

BERLIN. Über den Einstieg Gerhard Schröders in das deutsch-russische Gaspipeline-Projekt war seit Freitag viel gemunkelt worden, wann und wie sein Freund, Rußlands Präsident Wladimir Putin, ihm den Posten angetragen hat. Unter anderem deshalb, weil sich Schröder selbst nicht dazu geäußert hat. Nun hat er in der "Süddeutsche Zeitung" seine eigene Sichtweise dargestellt. Demnach lief der Deal so: Er sei am Freitag "von russischer Seite" angerufen worden. Dabei sei ihm das Amt im Aufsichtsrat angeboten worden. Er habe in dem Gespräch darauf hingewiesen, daß er einen solchen Posten nur antrete, wenn die an dem Konsortium beteiligten beiden deutschen Firmen E.on und BASF einverstanden seien. Kurz darauf sei er von Vorstandsmitgliedern beider Unternehmen angerufen und gebeten worden, mitzumachen. "Für mich ist es eine Ehrensache, bei dem Pipeline-Projekt mitzumachen", sagte Schröder. "Ich habe schon in der Vergangenheit das Projekt politisch unterstützt, weil ich es für sinnvoll halte."

Bundestagspräsident Norbert Lammert verurteilte Schröders Vorgehen dagegen als instinktlos. "Ich konnte mir eigentlich nicht vorstellen, daß ein deutscher Regierungschef so schnell und so instinktlos mit einem naheliegenden Anschein umgeht, daß hier ein Zusammenhang bestehen könnte zwischen politischem Engagement und eigenen wirtschaftlichen Interessen", sagte der CDU-Politiker im rbb-Inforadio. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte das Vorgehen des Altkanzlers nicht öffentlich bewerten, ließ aber erkennen, daß sie Handlungsbedarf für die Zukunft sieht. Die Bundesregierung will nun einen Ehrenkodex für ausgeschiedene Politiker prüfen. Als Vorbild nannte Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) den Corporate Governance Kodex der Wirtschaft oder den Ehrenkodex der EU-Kommission. Dieser sieht vor, daß EU-Kommissare im ersten Jahr nach ihrem Ausscheiden nur mit Sondergenehmigung einen neuen Job antreten dürfen. Nach Angaben des Innenministeriums würden Privateinkünfte Schröders etwa aus einer Aufsichtsratstätigkeit auf sein Übergangsgeld als ehemaliger Regierungschef angerechnet. Dies gelte aber nicht für sein Ruhegehalt.

Die SPD-Spitze versuchte, die Diskussion einzudämmen. Parteichef Matthias Platzeck mahnte mehr Sachlichkeit an und betonte, er halte Schröder "für einen völlig integren Mann". Vizekanzler Franz Müntefering erklärte in der ARD, er sehe nichts Anrüchiges in den Plänen des Parteifreundes: "Ich finde das ganz in Ordnung, daß er sich da engagiert." Der thüringische SPD-Vorsitzende Christoph Matschie bekräftigte dagegen seine Kritik: Schröder laufe Gefahr, sein hohes Ansehen zu verspielen.

Der designierte Vorstandschef des Konsortiums Nordeuropäische Gas-Pipeline, Matthias Warnig, soll als Major der Stasi im Bereich Wirtschaftsspionage gearbeitet haben. Warnig ist bisher noch oberster Vertreter der Dresdner Bank in Rußland. Nach Informationen des "Spiegel" wurde Warnig vom Verfassungsschutz als Stellvertretender Leiter des Referats 5 der Abteilung XV der HVA aufgeführt. Hauptaufgaben: "Wirtschaftsaufklärung" gegen die Deutsche Bank, die Dresdner Bank und die Commerzbank.