Kommentar: Schröders Aufsichtsrats-Posten

Als alter Polit-Fuchs hat Gerhard Schröder einige Tage verstreichen lassen, um das öffentliche Echo auf seinen Einstieg in das große Gasgeschäft zu testen. Das fiel so aus, daß er nun ein paar gute Gründe für seine berufliche Neuorientierung nachschiebt: Für die Rente sei er zu jung, das Projekt eine Ehrensache, die Bezahlung noch gar nicht geregelt, und seiner Frau zu Hause wolle er auch nicht auf die Nerven gehen. Sehr schön.

Es bleibt trotzdem ein überaus fader Beigeschmack. Schröder könnte vom eigenen Regierungshandeln profitieren. Er liefe ständig Gefahr, Staatsgeheimnisse zu verletzen. Im Reiche seines als "lupenreinen Demokraten" bezeichneten Freund Putin läuft längst nicht alles nach den Normen westlicher Rechtsstaaten. Firmensitz Schweiz, Geschäftsführer ein ehemaliger Stasi-Agent.

Den daheimgebliebenen Politikern ist angesichts dieser Konstellation unwohl geworden. Sie sehen nicht nur Schröders Ruf in Gefahr, der, als er noch regierte, gern die Wörter "Anstand" (auf sich bezogen) und "unanständig" (für den politischen Gegner) im Munde führte. Ein Ehrenkodex ist nun in der Diskussion. Vielleicht kommt er aus diesem Stadium ja sogar bis zur Vollendung, so wie bei der Europäischen Union, die ihrer Kommission nach unliebsamen Vorgängen ein paar Regeln mit auf den Weg gab.

Vielleicht mag das helfen. Vielleicht dürfen an Politiker - schließlich sind auch sie nur schwache Menschen - keine höheren moralischen Maßstäbe als an den Rest der Bevölkerung angelegt werden. Das ist vielleicht vernünftig und gerecht. Es ist aber auch desillusionierend, wenn die, die politische und geistige Führung für sich beanspruchen, stets an Anstand und gute Sitten erinnert werden müssen.