Reaktionen: Empörung in Polen

HAMBURG. Unter Juristen ist der Schritt von Altkanzler Gerhard Schröder in die Privatwirtschaft umstritten. Der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim meint, bei dem geplanten Wechsel auf den Posten des Aufsichtsratschefs der deutsch-russischen Pipeline-Gesellschaft könne es sich um eine strafbare Vorteilsannahme handeln. Dabei genüge es, daß der "böse Schein" bestehe.

Außerdem seien nach dem Ministergesetz ehemalige Kanzler verpflichtet, Verschwiegenheit über Angelegenheiten zu wahren, die in ihrem Amt bekannt geworden seien. Von Arnim kritisierte, ihm sei unverständlich, wie Schröder die Informationen, die er während des Pipeline-Geschäfts gewonnen habe, geheim halten wolle. Er sei offenbar deshalb in diesen Job berufen worden, weil er wichtige Hintergrundkenntnisse besitze.

Der Frankfurter Strafrechtsprofessor Peter-Alexis Albrecht sieht Schröder in der Zwickmühle: "Er darf nie etwas einbringen, was er als Kanzler vertraulich erfahren hat." Dabei sei ein Aufsichtsratsvorsitzender verpflichtet, sich gewissenhaft für die Belange seines Unternehmens einzusetzen, also sein Wissen und seine Erfahrung einzubringen.

Rückendeckung erhielt Schröder dagegen vom Bonner Wirtschaftsrechtler Marcus Lutter. Sein Engagement sei "das normalste von der Welt", sagte Lutter der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Mit Blick auf das deutsche Interesse an der Gaspipeline spreche nichts dagegen, die Verbindungen des früheren Regierungschefs zu nutzen, erklärte der Sprecher des Zentrums für Europäisches Wirtschaftsrecht an der Bonner Universität. Lutter empfahl Schröder allerdings, auf eine Bezahlung zu verzichten oder sein Gehalt zu spenden. "Sonst bleibt etwas hängen, selbst wenn es formal nichts auszusetzen gibt."

Proteste hagelt es aus Polen. Der ehemalige polnische Außenminister Bronislaw Geremek sagte: "Das ist das Ende der Legende Schröder. Es ist unstatthaft, daß einer der Architekten der Idee dieser Gasleitung daraus materiellen Nutzen zieht."