Vogelgrippe: Geflügelzüchter in Sorge - Experten simulieren eine Pandemie. Minister beraten über Verteilung von Medikamenten. Verstöße gegen Stallpflicht kosten bis zu 25 000 Euro.

Berlin/Brüssel. Die EU-Gesundheitsminister haben sich gestern in der Nähe von London zu Beratungen über Abwehrstrategien gegen die Ausbreitung der Vogelgrippe getroffen. EU-Sprecher Philip Tod sagte, Thema seien auch die Produktion und Verteilung von antiviralen Medikamenten und die Entwicklung eines Impfstoffs gegen die Seuche. Für den Fall, daß der Vogelgrippe-Erreger mutiert und von Mensch zu Mensch übertragbar wird, will die EU gerüstet sein. Unter britischer Federführung spielen Experten derzeit an Computern den Ausbruch einer weltweiten Pandemie durch. Dabei geht es vor allem darum, die Fähigkeit der Behörden zur schnellen Krisenreaktion zu stärken.

Die deutschen Bundesländer wollen die flächendeckende Stallpflicht für Geflügel, wie von Bundesverbraucherschutzminister Jürgen Trittin (Grüne) gefordert, bis morgen umsetzen. Der Grünen-Politiker sagte in der ARD, daß die Länder die Stallpflicht ab sofort in Kraft setzen könnten. Spätestens am Sonnabend müßten sie es getan haben. Der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus (SPD), kündigte scharfe Kontrollen an. Verstöße können mit bis zu 25 000 Euro geahndet werden. Am Wochenende soll dennoch die weltgrößte Junggeflügelschau mit 17 000 Tieren wie geplant in Hannover stattfinden.

Probleme macht die Umsetzung der Verordnung auch in den norddeutschen Tierparks. Im Tierpark Neumünster bereitet vor allem ein Teich Sorgen. Direktor Peter Drüwa: "Dort leben unsere eigenen Vögel, aber zur Zeit auch sehr viele wilde Wintergäste." Drüwa will jetzt so viele wie möglich einfangen lassen. Der Vogelpark in Niendorf (Kreis Ostholstein) versucht seine 1300 Vögel aktiv zu schützen. Wenn Möwen oder Stockenten über dem Gelände auftauchen, werden sie mit Schüssen aus einer Schreckschußpistole vertrieben.

Trittin sagte, mit der bis 15. Dezember geltenden Aufstallpflicht reagiere man auf das Auftauchen der Seuche südlich von Moskau. Von dort zögen Wildenten und Gänse Richtung Westeuropa. Der Minister betonte, daß es bislang keinen geeigneten Impfstoff für Vögel gebe, der zwischen erkrankten und geimpften Tieren unterscheiden lasse. Deshalb müsse, wo die Vogelgrippe auftrete, in einem bestimmten Umkreis alles bedrohte Vieh getötet werden. Gleichzeitig warnte Trittin vor Panikmache. Bisher seien nur Menschen erkrankt, die in engen Kontakt mit infizierten Tieren gekommen seien. Es handele sich noch um eine reine Tierseuche.

Der Vorsitzende des Umweltausschusses im Europaparlament, Karl-Heinz Florenz, geht von drastischen Maßnahmen aus, falls die Vogelgrippe weiter in die EU vordringen sollte. "Der Export von Fleisch und Federn würde strikt unterbunden. In Deutschland müßten die Landräte drastische Entscheidungen treffen, auch gegen die Bevölkerung."