Kommentar

Krisen hat der Kontinent auf dem Weg zur europäischen Einigung schon häufiger erlebt. Dann wurde gefeilscht, getrickst und auch mal die Uhr angehalten wie 1999 in Berlin und ein Jahr später in Nizza. Letztlich war immer der Wille da, Kompromisse einzugehen und eine Lösung zu finden für Europa. Aber jetzt haben die 25 Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel keine Krise zu meistern, sondern eine Katastrophe abzuwenden. Die Aussichten auf Erfolg sind nicht gerade rosig.

Bei der Finanzplanung sind die Positionen auf Grund nationaler Befindlichkeiten festgefahren. Bei der EU-Verfassung ist eine Denkpause ratsam, bei der man aber noch nicht weiß, ob sie mit gähnender Leere oder neuen Ideen gefüllt werden wird. Und EU-Kommissionspräsident Barroso wirkt farblos und verzagt.

Dabei wäre ein Durchbruch zum Beispiel bei den Verhandlungen über die künftigen EU-Haushalte ein so wichtiges Zeichen. Wird aber zu Lasten der Gemeinschaft trotzig auf eigenen nationalen Pfründen bestanden und in der Sackgasse verharrt, dann sammeln Europa-Skepsis und Politikverdrossenheit weiter Punkte. Die Menschen in Europa wollen Arbeitsplätze, Wohlstand und Sicherheit, aber kein unübersichtliches Gebilde oder ratlose Politiker, deren Vision sich in einem "Weiter so" erschöpft.

Wo soll und will Europa hin, wo sind die inhaltlichen und geographischen Grenzen? Politische Union mit gemeinsamen Werten oder nur Freihandelszone? Ein Bündnis, um in dieser globalisierten Welt, wo Geldströme und Handel ebenso grenzenlos sind wie Kriminalität und Terrorismus, bestehen zu können? Die EU-Lenker müssen heute und morgen zumindest beginnen, Antworten auf diese Fragen zu finden. Sonst droht der EU nach den Verfassungsreferenden in Frankreich und Holland eine dritte Niederlage innerhalb von drei Wochen.