Nach Abbruch der Honorarverhandlungen mit den Krankenkassen folgt die Urabstimmung über vorübergehende Praxisschließungen.

Berlin. Es ist ein Eklat mit Ankündigung. Als der Verhandlungsführer der Ärzte den Saal betritt, in dem die Vertreter der Krankenkassen schon warten, bleiben die Stühle seiner Mitarbeiter leer. Da ist allen klar: Ernsthafte Verhandlungen werden es wohl kaum werden.

Nach einer knappen halben Stunde kommt der kampferprobte Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, dann auch schon wieder heraus und baut sich im luftigen Foyer des KBV-Gebäudes nahe dem Berliner Tiergarten auf: "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die Verhandlungen geplatzt."

Was nun? Die Kassenärztevereinigung kann als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht zu Streiks aufrufen. Aber haben nicht zahlreiche Ärzteverbände Praxisschließungen angedroht, wenn die Versicherungen ihre üppig gefüllten Kassen nicht noch an diesem Montag etwas weiter öffnen?

Gut drei Stunden später ist klar, dass die Geduld der Mediziner zu Ende geht. Die Funktionäre wollen die Ärzte landauf, landab zur Urabstimmung rufen und das Ergebnis Mitte nächster Woche bekannt geben. Die Kassenpatienten dürften also die Früchte des Ärztezorns zu spüren bekommen - in Form geschlossener Praxen oder auch späterer Termine. Ärzte wollen Kranke, die nur ambulant behandelt werden müssen, zudem reihenweise in die Krankenhäuser schicken.

+++ Urabstimmung über Ärztestreik - Ausstand noch im September? +++

Wie aber geht es im Honorarstreit weiter? Der Verhandlungsabbruch hat an sich wenig zu bedeuten. Selbst bei der KBV räumt man ein, dass es nicht nur ein Zeichen des Protests in Richtung des ungeliebten Kassenverbandes ist, sondern auch ein Signal nach innen, dass man sich nicht alles bieten lässt. Am 15. September wird erneut verhandelt und wahrscheinlich auch etwas beschlossen. Denn selbst wenn die KBV nicht mehr in den Verhandlungssaal zurückkehrt: Die Kassen können mit dem unabhängigen Vorsitzenden des Gremiums, dem Wissenschaftler Jürgen Wasem, notfalls auch allein entscheiden. Es geht noch darum, in welcher Höhe sich ein hoher Anteil Älterer und Kranker in den einzelnen Regionen positiv aufs Ärztehonorar auswirken soll. Und wie Behandlungen, die in der Planung nicht absehbar waren, bei den Ärzten zu Buche schlagen. Bei den Kassen heißt es, das alles könnte sich noch mit mehreren Hundert Millionen Euro zusätzlich bemerkbar machen - zumal in den Regionen auf Basis der Vereinbarungen noch weiterverhandelt wird.

Es winken den etwa 150 000 niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten also möglicherweise weit mehr als die 270 Millionen Euro, die die Ärzte laut dem ersten Schlichterspruch mehr bekommen sollen. Ob die Mediziner das nachholen, was ihnen durch eine Sparbremse des ehemaligen Gesundheitsministers Philipp Rösler (FDP) entgangen ist, ist aber fraglich.

Wenn der Ausschuss Mitte September zusammenkommt, ist die Urabstimmung zu den Praxisschließungen schon abgeschlossen, und der Streikfahrplan dürfte stehen. Bis dahin wird auch klar sein, wie groß das seit Röslers Zeiten angewachsene Milliardenpolster der Krankenkassen bisher ist. Die Bundesregierung will nun die Halbjahresbilanz vorlegen. Zuletzt hatten die Kassen und der Gesundheitsfonds insgesamt immerhin 20 Milliarden Euro auf der hohen Kante.

Ein Sprecher von Minister Daniel Bahr (FDP) kündigt schon mal an: "Wir haben es mit wachsenden Überschüssen in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tun." Das Verständnis vieler niedergelassener Mediziner dafür, warum nicht mehr für sie abfällt, dürfte gering sein. Auch wenn die meisten Menschen in Deutschland vom monatliche Nettoeinkommen der Kassenärzte von im Schnitt 5442 Euro nur träumen können.