Am Morgen waren Ärzte, Spitzenvertreter der Mediziner und der Krankenkassen erneut zu Honorarverhandlungen zusammengekommen.

Berlin. Die Spitzenvertreter der Ärzte haben die Honorarverhandlungen mit den Krankenkassen überraschend abgebrochen. Ihr Verhandlungsführer, der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Andreas Köhler, begründete den Schritt mit dem Unmut gegenüber dem Vorgehen des Kassen-Spitzenverbands. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die Verhandlungen geplatzt.“ Zunächst solle in kleiner Runde mit den Kassen informell die Lage geklärt werden, dann könne eventuell weiterverhandelt werden.

+++Deutschlands Kassenärzte ziehen vor Gericht+++

+++Ärzte planen bundesweite Streiks im Streit um Honorare+++

Eigentlich sollte das Schlichtergremium von Ärzten und Kassen unter Vorsitz des unabhängigen Wissenschaftlers Jürgen Wasem die Verhandlungen am Montag zu Ende führen. Bisheriger Verhandlungsstand ist eine Erhöhung des Honorars für die rund 150 000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten um 0,9 Prozent oder 270 Millionen Euro. Gegen diesen Beschluss wollte die KBV an diesem Montag Klage beim Sozialgericht Berlin-Brandenburg einreichen. Es stehen aber noch Verhandlungen aus über die erwartete Krankheitsentwicklung und die Auswirkungen aufs Honorar. Auch hier geht es um hunderte Millionen Euro.

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wollen die niedergelassenen Ärzte flächendeckend streiken, sollte es bei dem Schlichterspruch zu den Ärztehonoraren bleiben - eine Bewährungsprobe für Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP).

Laut Schlichterspruch bekommen die Praxen ab kommendem Jahr durchschnittlich 1800 Euro mehr - zu wenig für den Erhalt einer guten Grundversorgung in Deutschland, argumentieren die Ärzte. Sie hatten 3,5 Milliarden Euro mehr an Honoraren verlangt, was nach Angaben der Kassen ein unbezahlbares Plus von 20.000 Euro pro Arzt und Jahr bedeutet hätte.

Vor dem Hintergrund des Streits forderten gut ein Dutzend Ärzteverbände Bahr am Wochenende auf, den Schlichterspruch zu kippen. "Wenn dieser Beschluss nicht revidiert wird, wird es zu Protestaktionen bisher nicht bekannten Ausmaßes in der Bundesrepublik kommen", sagte Dirk Heinrich, der Vorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Ärzte (NAV-Virchow-Bund).

Wenngleich Streiks erst in einigen Wochen starten sollen, könnte es schon morgen zu ersten Aktionen kommen. Patienten mit Durchfallerkrankungen, Fieber oder Krupphusten könnten den Angaben zufolge dann direkt an die Kliniken weitergeleitet werden. Auch Patienten mit Hörsturz oder Schwindelsymptomen, die normalerweise bei HNO-Ärzten behandelt werden, könnten dann ebenso wie Frauen in gynäkologischen Praxen eine direkte Überweisung bekommen.

Bereits heute will die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Klage vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg einlegen. KBV-Chef Andreas Köhler sagte, mit dem "Spardiktat" der Kassen werde nicht der Arzt getroffen, sondern der Patient. Deren Versorgung werde sich verschlechtern. Zudem soll heute der Bewertungsausschuss erneut zusammenkommen, um über eine Umsetzung des Kompromisses zu beraten.

Köhler: "Wir hoffen, dass wir Protestmaßnahmen bundesweit verhindern können."

Unterdessen hat FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle Verständnis für die Forderung der Ärzte nach stärkeren Honorarerhöhungen geäußert. „Ich glaube, dass die Forderung, ein besseres Ergebnis zu erreichen, nicht unbegründet ist“, sagte er am Montag in Berlin. „Ob Streik die richtige Maßnahme ist, da habe ich meine Zweifel.“