Die Kanzlerin solle den Bürgern die Maßnahmen der Euro-Politik besser erklären, mahnt der Bundespräsident an. Gauck bedauert eigene Äußerung.

Berlin. Mit deutlichen Worten hat Bundespräsident Joachim Gauck Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gemahnt, die Maßnahmen zur Euro-Rettung den Bürgern zu erklären. "Sie hat nun die Verpflichtung, sehr detailliert zu beschreiben, was das bedeutet, auch fiskalisch bedeutet“, sagte Gauck im ZDF-Sommerinterview mit Bettina Schausten über das die "heute“-Sendung am Sonnabend berichtete. Er sei froh über die Klagen gegen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt am Dienstag (10. Juli) über die Eil-Anträge gegen ESM und Fiskalpakt. Die Kläger wollen verhindern, dass der Bundespräsident die Gesetze unterzeichnet. Mit einer Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts in Karlsruhe wird noch im Juli gerechnet.

Ausführlich ging der Bundespräsident im ZDF-Interview auf die Schwierigkeiten der Politik ein, den Bürgern die Notwendigkeiten zur Lösung der Euro-Krise zu vermitteln. "Manchmal ist es mühsam zu erklären, worum es geht. Und manchmal fehlt die Energie, der Bevölkerung sehr offen zu sagen, was eigentlich passiert. Da kann ich helfen.“ Die Politik insgesamt würde manchmal zu wenig kommunizieren.

Auf die Frage, ob nicht der Bundespräsident sich zur Finanzkrise mehr einmischen müsste, antwortete Gauck: "Ich bin doch keine Ersatzregierung. Wenn es bei der Regierung schief geht, kann die Bevölkerung nicht vom Bundespräsidenten erwarten, dass er es dann richtet. Das ist nicht seine Aufgabe."

Gauck und Merkel? "Da ist nichts"

Angesprochen auf das Verhältnis zur Kanzlerin und darauf, ob es darunter leide, dass Gauck entgegen den Willen Merkels als Staatsoberhaupt durchgesetzt wurde, sagte der 72-Jährige: "Ich sehe ja in den Medien, wie ein bisschen damit gespielt wird mit den Figuren Gauck und Merkel. Da ist nichts." Gauck betonte, die Arbeit der Kanzlerin mit großem Respekt zu betrachten. "Ich könnte nicht, was sie kann und was sie gerade leistet.“ Das Sommerinterview wird am Sonntagabend um 19.10 Uhr im ZDF ausgestrahlt.

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Selbstkritisch zeigte sich Gauck im Rückblick auf seine Äußerung vom April, wonach er keine Bedenken wegen der Verfassungsmäßigkeit des deutschen Euro-Rettungskurses habe. "Da hätte mehr Zurückhaltung mir gut gestanden“, sagte Gauck nun selbstkritisch. Er verwies aber nach ZDF-Angaben darauf, dass seine Äußerung in dem Interview von damals spontan und keinesfalls geplant gewesen sei. Die Worte waren ihm damals schnell als Bevormundung des Gerichts ausgelegt worden.

Gauck begrüßte die Klagen beim Bundesverfassungsgericht gegen den dauerhaften Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt. "Die Kläger haben alles Recht, ihre Sorgen zum Ausdruck zu bringen“, sagte Gauck. Er habe sich intensiv mit den Klagen auseinandergesetzt. "Ich bin froh, dass dieser Weg beschritten wird.“

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Die Ergebnisse des Brüsseler EU-Gipfels vergangene Woche bewertete Gauck nach ZDF-Angaben aus deutscher Sicht als nicht zu negativ. Bei Verhandlungen und Auseinandersetzungen setze sich selten eine Seite komplett durch. Finanzprobleme bräuchten Zugeständnisse. Für den italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti sei es offenbar wichtig gewesen, "nach Hause zurückzukehren und in seiner Bevölkerung Handlungsfähigkeit zu demonstrieren“, so Gauck. "Für mich war aber wichtig zu hören, dass nicht alle Felle davongeschwommen sind und dass auch nicht rote Linien überschritten sind“, betonte Gauck.

Mit Material von dpa