Niedersachsens Innenminister will NPD aus Parteienfinanzierung ausschließen. Heute Ministertreffen zum braunen Terror.

Berlin. Uwe Schünemann lebt mit dem Ruf, ein Hardliner zu sein und des Öfteren zugespitzt seine Meinung zu vertreten. Im Streit um die Vorratsdatenspeicherung etwa bezeichnete der CDU-Politiker Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP als "ein Sicherheitsrisiko". Nun gerät der Innenminister selbst in die Kritik und unter Aufklärungsdruck. Auch in Niedersachsen gab es Pannen im Umgang mit der rechten Szene. Im Abendblatt-Interview fordert der 47-Jährige einen zentralen Informationsverbund aller Sicherheitsbehörden.

Hamburger Abendblatt: Herr Minister, was erwarten Sie vom heutigen Treffen der Innen- und Justizminister zum braunen Terror?

Uwe Schünemann: Der wehrhafte Rechtsstaat muss ein klares Signal setzen. Notwendig ist ein energisches, nachhaltiges und strategisch abgestimmtes Vorgehen der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern gegen den gewaltbereiten Rechtsextremismus. In diesem Sinne müssen wir ein breit angelegtes Maßnahmenpaket schnüren. Dafür setze ich mich mit ganzer Kraft ein.

Wie viel Schuld trägt Niedersachsen daran, dass der Terrorhelfer Holger G. über mehr als ein Jahrzehnt unbehelligt blieb?

Schünemann: Wir müssen die Ereignisse um Holger G., die bis vor meine Amtszeit zurückreichen, lückenlos aufklären. Ein Problem in diesem Zusammenhang sind die zu rigiden Löschfristen für gespeicherte Daten von gewaltbereiten Extremisten. Das müssen wir ändern, um effektiver zu werden.

Haben Sie kein schlechtes Gewissen? Die Neonazi-Szene ist in den vergangenen Jahren komplett falsch eingeschätzt worden - auch von Ihnen.

Schünemann: Dass neonazistische Gruppierungen häufig gewaltbereit sind, ist keine neue Erkenntnis. In Niedersachsen jedenfalls war und ist der Fahndungsdruck auf diese Szene anhaltend hoch. Die NSU hat eine neue Dimension rechter Gewalt. Deshalb müssen wir jetzt unsere Bekämpfungsansätze in Bund und Ländern eingehend prüfen und auf die Bedrohungslage fokussieren.

Welche neuen Erkenntnisse haben Sie zur Neonazi-Szene?

Schünemann: Die jüngsten Ermittlungserkenntnisse zeigen, dass wir es bei der Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" mit einer Terrorzelle zu tun haben. Inwieweit man von einem terroristischen Netzwerk sprechen kann, das können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend sagen. Da müssen wir die weiteren Ermittlungen abwarten.

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Hätte eine Neonazi-Datei, die Bundesinnenminister Friedrich fordert, bei der Aufklärung helfen können?

Schünemann: Ein gemeinsamer zentraler Informationsverbund aller Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern, der relevante Daten zu gewaltbereiten Rechtsextremisten enthält und darüber hinaus für weitergehende Analysezwecke genutzt werden kann, ist in jedem Fall ein sicherheitspolitischer Mehrwert. Ich unterstütze ein solches Vorhaben nachdrücklich.

Brauchen die deutschen Sicherheitsbehörden eine neue Struktur?

Schünemann: Die operative und analytische Kompetenz sowie die länderübergreifende Vernetzung der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern muss im Hinblick auf gewaltbereite Rechtsextremisten intensiviert werden.

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Man könnte auch die Landesämter für Verfassungsschutz abschaffen. Eine sinnvolle Idee?

Schünemann: Von dieser Idee halte ich nichts. Der Verfassungsschutz ist als Frühwarnsystem der wehrhaften Demokratie weiterhin unverzichtbar. Das gilt auch für die Länderebene.

Gehört zur Bekämpfung des Rechtsterrorismus auch ein NPD-Verbot?

Schünemann: Im Lichte der jüngsten Entwicklung ist zu prüfen, ob ein neuerliches NPD-Verbotsverfahren Sinn macht. Dabei sind jedoch die Risiken zu bedenken. Erst nach Abzug der V-Leute kann belastendes Material in einem Verfahren Verwendung finden. Zudem würde ein Abzug die Aufklärung der rechtsextremen Szene klar erschweren. Ich plädiere mit Nachdruck dafür, die NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Dazu habe ich bereits konkrete Vorschläge unterbreitet.

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Können Sie nachvollziehen, warum es momentan mehr V-Leute gibt als 2003, dem Jahr des gescheiterten NPD-Verbots?

Schünemann: Umfang und Art des Einsatzes von V-Leuten unterliegen der Geheimhaltungsbedürftigkeit. Deshalb kann ich zu diesem Punkt keine Auskunft geben.

Welche Geste muss der Staat jetzt zeigen, dass Rechtsterror in der Gesellschaft nicht geduldet wird?

Schünemann: Entscheidend ist ein klares Signal der Wehrhaftigkeit gegen gewaltbereiten Extremismus und Terrorismus. Nicht Symbolpolitik, sondern ein überzeugendes sicherheitspolitisches Maßnahmenpaket ist jetzt gefragt. Alle Opfer von politischer Gewalt und Kriminalität verdienen unser Mitgefühl und unsere Solidarität. Das müssen wir immer wieder klar zum Ausdruck bringen.