Merkel will Möglichkeiten prüfen, SPD-Fraktionschef Steinmeier begrüßt Initiative der Kanzlerin. Innenminister Friedrich zeigt sich skeptisch und rät ab.

Berlin. Die rechtsextreme Mordserie sorgt bei Deutschlands Politikern für eine Debatte um ein neuerliches Verbotsverfahren der rechtsextremen NPD. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte angekündigt, nach der Aufdeckung der Mordserie von Neonazis aus Thüringen die Erfolgsaussichten für ein Verbot der NPD erneut prüfen zu wollen. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier spricht sich für ein solches Verfahren aus. "Wir tun gut daran, dass wir jetzt dran gehen und ein NPD-Verbot noch mal prüfen“, sagte Steinmeier am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin“. "Es hat sich gezeigt: Es ist notwendig.“ Bei den Ereignissen um die Thüringer Neonazi-Gruppe habe der rechtsextreme Nationalismus und Fremdenhass „seine widerliche Fratze“ offenbart.

Die ersten Analysen hätten gezeigt, dass es offensichtlich Verbindungen zwischen der NPD und der Gruppierung „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ gegeben habe. "Die NPD scheint mir eine Partei zu sein, die sozusagen den politischen Arm nach außen macht, sich aber abstützt auf solche Untergrundbewegungen, wie wir sie jetzt gesehen haben“, sagte Steinmeier.

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Ähnlich äußerte sich auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, der ein "entschiedenes staatliches Handeln" gegen rechtsterroristische Entwicklungen verlangt. "Dieser braune Terror verlangt harte Antwort“, sagte er am Dienstag im Deutschlandfunk. So sollten auch die Erfolgsaussichten für ein neues NPD-Verbotsverfahren geprüft werden, sagte der CDU-Politiker. "Das erste Verbotsverfahren ist gescheitert. Man sollte nur ein erneutes einleiten, wenn es Aussicht auf Erfolg hat“, fügte er jedoch an.

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, forderte ebenfalls ein neuerliches Verbotsverfahren: "Wir dürfen Demokratieverachtung und Menschenfeindlichkeit nicht tolerieren. Deshalb bin ich zutiefst davon überzeugt, dass die NPD verboten werden sollte", sagte Michael Sommer in einem Interview mit dem Verein "Mach meinen Kumpel nicht an e.V.".

Skeptisch zeigte sich indes Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Ein solches Verfahren sei nur möglich, wenn alle V-Leute abgeschaltet würden, sagte der CSU-Politiker im ZDF-"Morgenmagazin". "Das ist mit einem hohen Risiko verbunden, weil wir dann über viele Jahre keinen Einblick in den inneren Betrieb der Partei haben.“

Der Innenminister sprach sich stattdessen dafür aus, verstärkt rechtsradikales Gedankengut zu bekämpfen. "Es scheint mir der bessere Weg zu sein, den Menschen Demokratie nahezubringen, als mit Verboten zu arbeiten“, sagte Friedrich im Bayerischen Rundfunk. Auch nach einem Parteiverbot seien "die Menschen nach wie vor da, das Gedankengut ist nach wie vor da“.

Die Zusammenarbeit mit V-Leuten verteidigte Friedrich. Es gehe darum, dass der Staat Informationen über die Strukturen der NPD bekomme: „Das funktioniert in den meisten Fällen sehr gut und sehr erfolgreich, aber wie man an Thüringen sehen kann, nicht immer.“

Um die Kooperation zwischen den einzelnen Behörden auf Bundes- und Landesebene zu verbessern, kündigte Friedrich im ZDF die Einrichtung einer Verbunddatei an. Dort sollten Polizei und Verfassungsschutz gleichermaßen Informationen zu rechtsmotivierter Kriminalität einspeisen.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) reagierte ebenfalls zurückhaltend auf die Initiative der Bundeskanzlerin. "Bevor wir über ein neues NPD-Verbotsverfahren nachdenken, muss klar sein, dass es nicht scheitert“, sagte die stellvertretende FDP-Vorsitzende der "Passauer Neuen Presse“. "Es darf nicht unklar sein, welche verfassungsfeindlichen Aussagen wirklich von NPD-Mitgliedern stammen.“

Zunächst müsse geklärt werden, was mit den V-Leuten in der Partei sei: "Nur wenn wir eine neue Sachlage haben, kann man darüber nachdenken.“ Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus dürfe nicht auf eine NPD-Verbotsdebatte verengt werden, mahnte Leutheusser-Schnarrenberger.

Ein früherer Antrag für ein solches Verbot war im Jahr 2001 im wesentlichen daran gescheitert, dass die NPD mit Spitzeln des Verfassungsschutzes unterwandert war. Das sei ein "nicht behebbares Verfahrenshindernis“, hieß es in der Begründung des Bundesverfassungsgerichts damals. (dpa/dapd/HA)

Online-Dossier mit Videos und Hintergründen zur rechtsterroristischen Mordserie unter www.abendblatt.de/brauner-terror