Die frühere Bischöfin Margot Käßmann ist jetzt Schirmherrin der Kampagne “Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel“ gegen Waffenexporte.

Berlin. Wenn Margot Käßmann kommt, dann kommen auch die Leute. Das weiß Horst Scheffler natürlich und ist deshalb besonders stolz, dass Käßmann jetzt neben ihm sitzt. Jedes Wort betont er einzeln, als er sie als "Frau Professor Doktor Margot Käßmann" vorstellt. Beim "Frau Professor Doktor" klopft er im Takt der Worte mit dem Kugelschreiber auf den Tisch. Margot Käßmann lächelt.

Scheffler ist ehemaliger Militärdekan, heute ist er Vorsitzender der "Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden", kurz AGDF. Die AGDF ist eine der Trägergruppen einer bundesweiten Kampagne von mittlerweile mehr als 100 Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Gruppen gegen Rüstungsexporte, deren Schirmherrin Käßmann nun offiziell sein wird. "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel" heißt das Bündnis, und Käßmann soll für mehr Aufmerksamkeit sorgen.

Nach wie vor füllt die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Hallen und Säle, sie ist häufiger Gast in Talkshows im Fernsehen und schafft es mit ihren Büchern regelmäßig und lang anhaltend in die deutschen Bestsellerlisten. Käßmann wird bewundert - und sie polarisiert. Wegen umstrittener öffentlichkeitswirksamer Auftritte zur Lage in Afghanistan oder der Frage, ob man mit den Taliban beten sollte. Ein bisschen auch deshalb, weil sie im Februar 2010 mit 1,54 Promille Blutalkohol in Hannover über eine rote Ampel gefahren ist.

Dass sie gleich danach von ihrem Amt zurückgetreten ist, hat ihr bei manchen allerdings auch eine ganze Menge Respekt und mehr als zuvor einen Ruf als moralische Autorität eingebracht. In der Gunst des Publikums ist sie trotz ihres Deliktes hoch geadelt. Was sie sagt, wird oft mit Applaus honoriert. Der Name Margot Käßmann ist ein Zugpferd.

Sie trägt heute ein pinke Jacke über einem schwarzen Shirt mit Glitzer-steinen, dazu einen schwarzer Rock, schwarze Strumpfhose, schwarze Schuhe und schwarzen Schmuck. Auch das Kreuz um ihren Hals ist schwarz. Käßmann ist ernst an diesem Vormittag in Berlin - denn das Thema ist es auch. Sie habe die Schirmherrschaft für das Aktionsbündnis "gern übernommen", sagt sie, "denn jede Minute stirbt ein Mensch an den Folgen einer Gewehrkugel, einer Handgranate, einer Landmine". Es sei "ein permanenter Skandal deutscher Außenpolitik und Außenwirtschaftspolitik", dass Waffen und Kriegsgerät aus Deutschland an dik-tatorische Regime geliefert würden. Zudem sei ihr "unbegreiflich, dass Deutschland Waffen in Staaten liefert, in denen die Menschenrechtslage schlecht ist". Das stehe im starken Widerspruch zum christlichen Auftrag, Frieden zu schaffen.

Die Kampagne, um die es geht, fordert langfristig einen Stopp der Rüstungsexporte, mittelfristig will sie mehr Transparenz bei der Ausfuhr von Waffen schaffen. Die Aktion ist bis zur Bundestagswahl 2013 angelegt. Die Parteien sollen nach dem Willen des Bündnisses die entsprechenden Forderungen in ihre Wahlprogramme aufnehmen. "Wenn Deutschland dem Rüstungsgeschäft den Rücken kehrt, werden andere Staaten folgen. Wie beim Atomausstieg", sagt Käßmann.

Sie mischt gern in der Politik mit - oder versucht es zumindest. Und sie kritisiert sie. Ständig. In ihrer Zeit als oberste Bischöfin hat Käßmann in einer Neujahrspredigt den berühmten Satz "Nichts ist gut in Afghanistan" gesagt und für reichlich Wirbel gesorgt. Libyen, der Arabische Frühling, die Kinder, der Papst oder Integration sind weitere gern kommentierte Themen. Seit Juli dieses Jahres hat sie erstmals seit ihrem Rücktritt wieder ein Amt in der Kirche inne, sie ist offiziell Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017. Auch hier geht es vor allem darum, für Aufmerksamkeit zu sorgen und eine Identifikationsfigur zu sein. So wie jetzt bei der neuen Schirmherrschaft. 262 000 Unterschriften will das Bündnis gegen den deutschen Waffenhandel zusammensammeln, denn es geht um eine Ergänzung von Artikel 26 Absatz 2 des Grundgesetzes, in dem Export und Herstellung von Waffen geregelt sind. Dabei soll Käßmann helfen. Sie sei eine "authentische und standfeste Persönlichkeit und unsere Wunschkandidatin", lobt Ex-Militärdekan Scheffler.

Als jemand, der Gutes tut und auch darüber spricht, ist Käßmann also die ideale Besetzung. Daran ist per se nichts auszusetzen, denn es erfüllt für beide Seiten seinen Zweck. Wenn Käßmann kommt, kommen eben auch die Leute. "Weltverbesserin", hat Käßmann im Frühjahr in einem Interview gesagt, "so lasse ich mich gerne nennen."