Rund 300.000 Menschen kamen zum großen Eröffnungsfest. Die frühere Bischöfin Margot Käßmann kritisierte die Waffenindustrie.

Dresden. Zehntausende bei Bibelarbeiten, rund 300.000 Menschen beim großen Eröffnungsfest: Der 33. Evangelische Kirchentag hat in Dresden mit stimmungsvollen Gottesdiensten und Debatten zu Integration, sozialer Gerechtigkeit und Glauben begonnen. Besonders im Blickpunkt standen die Auftritte von Bundespräsident Christian Wulff und der früheren Bischöfin Margot Käßmann.

Das Staatsoberhaupt warb am Donnerstag in einem Gespräch mit jungen Migranten für ein stärkeres Miteinander der Religionen und Kulturen in Deutschland. «In der globalen Welt wird es nur miteinander oder gar nicht gehen», sagte er. Es gebe nicht die Möglichkeit, sich abzuschotten in seiner eigenen, früher vielleicht vorhandenen Homogenität. «Wir brauchen Offenheit für Fremdes und Fremde.» Die Angst vor Fremdem, etwa dem Islam, sei dort am größten, wo es das Fremde kaum gebe.

Wulff bezeichnete Integration in Deutschland als eine faszinierende Aufgabe, bei der man «sich selbst was abverlangt und von anderen was verlangt». Dies sei Voraussetzung, damit der Zusammenhalt und das Zusammenleben in Deutschland überhaupt gelingen und Beispiel sein könnten für eine bessere Welt des Miteinanders.

Die Debatte in einer Sportarena verfolgten mehrere tausend Menschen. Die Halle musste wegen Überfüllung geschlossen werden. Auf große Resonanz stießen auch die Auftritte der ehemaligen Bischöfin Margot Käßmann. Ihre Bibelarbeit war nach Angaben des Kirchentags mit insgesamt 8.000 Menschen die am besten besuchte. In ihrer mit großem Beifall bedachten Rede kritisierte Käßmann die deutsche Rüstungsindustrie scharf. «Unsere Volkswirtschaften profitieren von dem Krieg, den wir beklagen», sagte die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Ferner rügte sie den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan und die Bombardierung Libyens durch die NATO. Sofort nach Beginn der Luftraumüberwachung habe die Bombardierung begonnen und auch der «gezielte Versuch, Gaddafi, mit dem man eben noch munter Geschäfte gemacht hatte, zu töten», kritisierte sie. «Das ist kein Weg zum Frieden.»

Der Kirchentag steht unter dem Motto «...da wird auch dein Herz sein». Das Laientreffen war am Mittwochabend mit drei Gottesdiensten unter freiem Himmel in der Innenstadt von Dresden eröffnet worden. Daran nahmen nach Angaben der Organisatoren knapp 100.000 Menschen teil. Am späten Abend entzündeten viele Menschen an beiden Ufern der Elbe Tausende Kerzen. Die Veranstalter setzten bei sakralen Chorgesängen mehrere Hundert Kerzen auf die Elbe.

Bundespräsident Christian Wulff sprach der christlichen Minderheit in Ostdeutschland zum Auftakt des Glaubensfestes Mut zu. Der evangelische Landesbischof von Sachsen, Jochen Bohl, rief zu einer Abkehr vom Streben nach Reichtum auf.

Das Treffen von Christen, Nicht-Gläubigen und Menschen anderer Religionen war auch das Ziel des «Abends der Begegnung». Zu dem Straßenfest kamen nach den Angaben rund 300.000 Menschen. Am Himmelfahrtstag besuchten weit mehr als zehntausend Menschen verschiedene Gottesdienste. Allein bei einem ökumenischen Gottesdienst im Fußballstadion waren etwa 10.000 Christen dabei. In der Stadt versammelten sich immer wieder spontan Gruppen zum gemeinsamen Beten und Singen.

Bei einer ersten Zwischenbilanz zeigten sich die Macher des Glaubensfestes sehr zufrieden. Mit den Andachten im Freien, dem Abendsegen und dem Lichtermeer von Kerzen habe es einen «spirituell sehr dichten Auftakt» gegeben, sagte Kirchentagspräsidentin Katrin Göring-Eckhardt. Es sei «eng, fröhlich, aber nicht bedrängt» zugegangen. Bei den Gottesdiensten seien auch viele «religiöse Zaungäste» gewesen. Auch Nicht-Christen hätten begeistert mit eingestimmt.

In Sachsen sind nur ein Viertel der Bevölkerung Mitglieder der evangelischen oder katholischen Kirche. Angemeldet haben sich zu dem fünftägigen Treffen rund 120.000 Dauerteilnehmer aus dem In- und Ausland, dazu werden Tausende weitere Tagesgäste erwartet. Auf dem Programm stehen mehr als 2.000 Veranstaltungen. Der Kirchentag geht am Sonntag mit einem großen Abschlussgottesdienst an der Elbe zu Ende. (dapd/abendblatt.de)