Energiekonzerne wollen nach Atom-Moratorium nicht mehr in Ökofonds einzahlen. Auch die Frage nach Entlagern gewinnt wieder an Bedeutung.

Berlin. Geht es nach Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), muss die Bundesregierung schleunigst mehrere Milliarden Euro zusätzlich in die Hand nehmen, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu ermöglichen. In ihrem Sechs-Punkte-Plan, der die Grundlage für das für Freitag geplante Gipfeltreffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den 16 Ministerpräsidenten bildet, fordern die Minister verstärkte Investitionen in Windparks vor den Küsten, in klimafreundliche Gebäudesanierungen und in die Forschung über Speicher- und Netzkapazitäten.

Doch über die Finanzierung des Programms droht der Koalition bis zum Freitag noch so manche harte Auseinandersetzung. Der CDU-Mittelstands-Politiker Fuchs sagte dem Abendblatt: "Jeder muss sich darüber im Klaren sein, dass der Strompreis steigen wird, wenn der Atomausstieg beschleunigt wird." Der Unionsfraktionsvize wunderte sich unverhohlen über die Regierungspläne, in denen die Finanzierung offengelassen wurde: "Finanzminister Schäuble will zu Recht den Bundeshaushalt nicht weiter belasten." Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats Kurt Lauk mahnte, den Sparkurs nicht zu verlassen. Merkel und der designierte FDP-Chef Philipp Rösler hätten sich der Haushaltssanierung als oberstem Ziel verschrieben, so Lauk. "Dieses darf auch nicht für eine geplante Energiewende relativiert werden." Der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Bareiß (CDU), warnte vor Milliardenlöchern im Haushalt bei einem Atomausstieg bis etwa 2020. Angesichts von Schuldenbremse und Euro-Krise machte Bareiß wie zuvor Fuchs deutlich: Auf die Verbraucher kämen steigende Strompreise zu.

Unterdessen haben die vier großen Energiekonzerne erste Konsequenzen aus dem Atom-Moratorium gezogen und die Zahlungen an den sogenannten Ökofonds eingestellt. In den Fonds soll ein Teil der zusätzlichen Gewinne fließen, die die AKW-Betreiber durch die Laufzeitverlängerung erwirtschaften. Insgesamt hatte die Bundesregierung mit Einnahmen von 16,9 Milliarden Euro gerechnet.

In der Koalition plant man nun mit einem geringeren Betrag. "Den Energiekonzernen ist die Geschäftsgrundlage weggebrochen. Wenn sie die älteren Meiler nicht mehr betreiben dürfen, fehlt ihnen natürlich Geld für den Ökofonds", zeigte Unionsfraktionsvize Fuchs Verständnis für das Verhalten der AKW-Betreiber. "Da die alten Atomkraftwerke mit Sicherheit nicht mehr angeschaltet werden, werden in dem Ökofonds am Ende auch nicht mehr die geplanten 16,9 Milliarden Euro sein."

Den Zahlungsstopp hatten die Stromunternehmen der Regierung bereits am Freitag telefonisch mitgeteilt. Eine Regierungssprecherin sagte, man werde auch die finanziellen Auswirkungen des Moratoriums prüfen. "Klarheit darüber wird es letztendlich erst mit der Neuausrichtung der Energiepolitik geben." Diese könne gegebenenfalls zu einer "Modifizierung der Abmachung mit den Versorgern führen".

Anders als in der Koalition wurde die Nachricht in der Opposition mit Empörung aufgenommen. Als "Unverschämtheit" bezeichneten die Grünen die Weigerung der Stromkonzerne, weiter in den Fonds einzuzahlen. Klaus Ernst, Chef der Linkspartei, forderte von der Regierung drastische Maßnahmen: "Das Atom-Moratorium hat die Rechtslage nicht verändert. Verträge müssen eingehalten werden. Die Bundesregierung sollte gegen die Stromriesen vor Gericht und die Zahlungen mit Zinsen einklagen." Die Energiekonzerne müssten von den Konsensgesprächen zur Energiewende ausgeschlossen werden. "Mit Erpressern verhandelt man nicht", so Ernst.

Neben den Auswirkungen des dreimonatigen Moratoriums gewinnt auch die Endlager-Frage wieder an Bedeutung. Druck bekommt die Koalition ausgerechnet von der FDP in Niedersachsen. Der Landesverband setzt sich für eine sofortige Suche nach einer Alternative zum Atom-Endlagerstandort Gorleben ein. Mit dem Gorleben-Beschluss folgten die FDP-Mitglieder beim Landesparteitag einem Änderungsantrag der Jungen Liberalen. Der Landesvorstand hatte sich zuvor noch gegen eine alternative Standortsuche bei gleichzeitiger Erkundung des Salzstocks in Gorleben ausgesprochen.