Die Bundesbank distanziert sich von ihrem Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin, will aber zunächst noch keinen Abwahlantrag stellen.

Frankfurt am Main. Vorerst bleibt er im Amt: Die Bundesbank will erst einmal auf einen Abwahlantrag für ihr Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin verzichten. Sie distanziert sich aber von seinen jüngsten Äußerungen zur Integration . Stattdessen werde unverzüglich ein Gespräch zwischen dem Vorstand und Sarrazin stattfinden. Dies beschloss der sechsköpfige Vorstand der Notenbank am Montag in Frankfurt. Der 65 Jahre alte SPD-Politiker und frühere Berliner Finanzsenator Sarrazin ist wegen seiner Äußerungen zu muslimischen Zuwanderern und dem Erbgut von Juden unter Druck geraten. Zuletzt hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) der Bundesbank eine Diskussion der Personalie nahegelegt.

Die Äußerungen Sarrazins hätten dem Ansehen der Bundesbank Schaden zugefügt, stellte der Vorstand fest. Er verwies zudem auf den Verhaltenskodex für Vorstandsmitglieder der Deutschen Bundesbank. „Die Bundesbank ist eine Institution, in der Diskriminierung keinen Platz hat.“ Mit seinen „abwertenden Äußerungen“ missachte Sarrazin „fortlaufend und in zunehmend schwerwiegendem Maße“ seine Verpflichtung gegenüber der Bundesbank.

Der Vorgang ist bislang ohne Beispiel in der Geschichte der Bundesbank, deren Vorstand unabhängig agiert. Zwar werden die sechs Mitglieder von Bund und Ländern in das Gremium berufen, können aber von diesen nicht mehr entlassen werden. Das Recht der Abberufung einzelner Mitglieder steht allein dem Bundespräsidenten zu – auf Antrag des Bundesbankvorstands.

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Die SPD-Spitze beschloss, ein Parteiordnungsverfahren gegen Sarrazin einzuleiten , um ihn aus der SPD auszuschließen. Für solche Thesen dürfe sich die SPD nicht vereinnahmen lassen. „Wir wollen nicht, dass seine Argumentation zum sozialdemokratischen Meinungsspektrum gehören“, sagte Parteichef Sigmar Gabriel. Deshalb gebe es keine Alternative zum Ordnungsverfahren, das eine politische Prüfung darstelle. In etwa einer Woche solle sie starten.

„Wenn ich beginne – allemal in Deutschland – entlang der Argumentation der Rassentheorie und der Rassenhygiene meine Argumentation zu untermauern, dann ist ein Punkt erreicht, wo es mit uns nicht geht“, stellte Gabriel klar. Auch im Vorstand der Bundesbank sei für Sarrazin nun kein Platz mehr.

Gleichzeitig betonte Gabriel, dass man sich die Entscheidung nicht leicht gemacht habe. Er begrüßte gegensätzliche Positionen in der Partei. Säuberungsaktionen dürfe es deshalb nicht geben.

Die katholische Kirche hat Sarazins Thes, Juden hätten ein bestimmtes Gen, scharf zurückgewiesen. Diese hatte er im Interview mit der "Welt am Sonntag" aufgestellt. „Solche Formulierungen sind geeignet, latent vorhandenen Rassismus mit allen darin enthaltenen Vorurteilen zu bedienen“, sagte der Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Norbert Trelle, am Montag. „Sie sind, zumal in Deutschland, gegenüber unseren jüdischen Mitbürgern völlig unangebracht“, so der Hildesheimer Bischof. Als „geistige Brandstiftung“ und „Spiel mit den Ängsten der Bevölkerung“ verurteilte das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) die Äußerungen.

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Zu Sarrazins Einschätzung, gerade muslimische Einwanderer seien nicht an Eingliederung interessiert, sagte der Bischof, Pauschalaussagen über die Integrationsbereitschaft von Migranten seien nicht seriös und verfehlten die Wirklichkeit. Viele Migranten seien an besserer Eingliederung interessiert, andere wiederum nicht. Starke Bildungsferne verschärfe die Probleme. „Aber bildungsferne Deutsche sind oft auch nicht gut integriert“, so Trelle. Hier gebe es einen Nachholbedarf in der Bildungspolitik. „Sollte Herr Sarrazin jedoch der Meinung sein, die zu uns gekommenen Zuwanderer seien prinzipiell weniger intelligent und vererbten biologisch-genetisch eine mindere Intelligenz, so hält eine solche These wissenschaftlicher Betrachtung kaum stand und entlarvt ein Menschenbild, das schon sehr fragwürdig ist“, so Trelle.