Der niedersächsische Ministerpräsident ist jüngster Amtsinhaber der Geschichte. Wulff folgt auf Horst Köhler, der am 31. Mai zurückgetreten war.

Berlin. Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (51) ist neuer Bundespräsident. Der CDU-Politiker ist der zehnte Amtsinhaber und jüngste Bundespräsident der Geschichte . Wulff ist Nachfolger des überraschend zurückgetretenen Horst Köhler.

Die Bundesversammlung wählte Wulff im dritten Wahlgang mit 625 Stimmen. Der von Rot-Grün ins Rennen geschickte Kandidat Joachim Gauck erhielt 494 Stimmen.

Wulff nahm nach langem Beifall die Wahl an. „Ich nehme die Wahl außerordentlich gerne und aus Überzeugung an und freue mich auf die verantwortungsvolle Aufgabe“, sagte Wulff. Seine 36 Jahre alte Ehefrau Bettina Wulff verfolgte die Wahl von der Tribüne im Reichstag. Mit Blick auf den Verlauf der Wahl und seinen Gegenkandidaten Gauck bedankte sich Wulff für einen „sehr fairen Wettbewerb“.

+++ Die erste Rede Christian Wulffs als Bundespräsident im Wortlaut +++

Zuvor hatte Wulff sein Amt als Ministerpräsident von Niedersachsen niedergelegt. In Hannover soll am Donnerstag der 39-jährige CDU-Fraktionschef David McAllister im Landtag als Nachfolger gewählt werden.

Im ersten Wahlgang hatte Wulff die absolute Mehrheit verpasst. Er bekam nur 600 von 623 nötigen Stimmen. Joachim Gauck bekam 499, Luc Jochimsen 126, der NPD-Kandidat Frank Rennicke 3 Stimmen. Die Stimmenverteilung im zweiten Wahlkampf: Christian Wulff 615, Joachim Gauck 490, Luc Jochimsen 123, Frank Rennicke 3. Bisher wurden nur zwei Bundespräsidenten im dritten Wahlgang bestimmt: Gustav Heinemann (1969) und Roman Herzog (1994). Herzog hatte allerdings vier Gegenkandidaten.

Die Bundespräsidentenwahl spiegelte die angespannte Lage der Regierungskoalition. Die Macht des Bundespräsidenten mag beschränkt sein. Die Symbolik dieser „Zwischenwahl“ und der hastig einberufenen Bundesversammlung nach dem überraschenden Rücktritt von Horst Köhler könnte für die deutsche Politik in Krisenzeiten nicht größer sein.

Die Geduld ist Wulffs auffälligste Tugend. Er hat gleich drei Anläufe unternommen, bevor er in Niedersachsen zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Auch von zwei Niederlagen gegen den damaligen Amtsinhaber Gerhard Schröder ließ sich der CDU-Politiker nicht abschrecken.

Deshalb reagierte er nach seiner Nominierung zum Kandidaten der schwarz-gelben Bundesregierung sehr gelassen, als sich die Öffentlichkeit mehr für seinen Konkurrenten Joachim Gauck als für den Niedersachsen begeisterte. Langweilig, konturlos, Profipolitiker – diese ihm zugeschriebenen Eigenschaften wirken wie ein Gegenmodell zu dem ostdeutschen Bürgerrechtler Joachim Gauck. Aber ein wichtiger Grund, warum Bundeskanzlerin Angela Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle ihn nominierten, ist, dass er weiß, wie Politik und politische Öffentlichkeit funktioniert.

Vor der Wahl hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) gesagt, die Demokratie in Deutschland habe sich beim Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler als stabil erwiesen. Dieser Vorgang habe nicht zu einer Staatskrise geführt, sagte Lammert zum Auftakt der Bundesversammlung. „Gerade in den vergangenen Wochen und Monaten haben sich unsere Demokratie und das parlamentarische System auch bei unvorhersehbaren Herausforderungen als handlungsfähig erwiesen.“

Lammert kritisierte indirekt Köhler. Sein Rücktritt habe manche Enttäuschung und Turbulenzen ausgelöst. Der Rückzug mit sofortiger Wirkung sei ein in der deutschen Demokratiegeschichte „einmaliger Vorgang“ gewesen. „Diese Entscheidung und ihre Gründe haben wir zu respektieren, auch wenn viele von uns sie noch immer nicht wirklich verstehen können“, sagte Lammert. Allerdings müsse auch ein Staatsoberhaupt Kritik aushalten können. „Niemand von uns steht unter Denkmalschutz.“

In der Koalition war vor der Bundespräsidentenwahl befürchtet worden, dass Merkel und ihr Kandidat Wulff wegen des schlechten Erscheinungsbildes der Bundesregierung aus den eigenen Reihen einen Denkzettel bekommen. Die Entscheidung zugunsten Wulffs brachte auch die Linkspartei, die vor dem dritten Wahlgang ihre Kandidatin Luc Jochimsen zurückzog. Die Parteispitze gab zwar die Abstimmung frei, kündigte aber zugleich an, dass sich die Mehrheit ihrer Wahlleute enthalten werde. Damit war ein Erfolg Gaucks so gut wie ausgeschlossen.

Der neue Bundespräsident soll an diesem Freitag in einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat vereidigt werden. Seine Amtszeit dauert fünf Jahre.

Unterdessen herrscht am Wohnsitz der Familie des frischgewählten Bundespräsidenten „uneingeschränkte Freude“ über den Sieg Christian Wulffs. Das sagte der Bürgermeister von Burgwedel, Hendrik Hoppenstedt (CDU). Die Wulffs seien außerordentlich beliebt, weil sie bescheiden und unprätentiös aufträten. Im Wohnort der Wulffs werde das Privatleben Prominenter respektiert. In der Gegend leben auch auch andere bekannte Gesichter – unter anderem Scorpions-Sänger Klaus Meine. Bürgermeister Hoppenstedt sagte, er könne sich auch kaum vorstellen, dass Wulff als Bundespräsident mit offiziellem Standarten-Wagen in den Ort komme, sondern dort eher Erholung suche. „Er wird sich hier auch weiter frei bewegen können.“ Die Familie Wulff will ihr Haus in Großburgwedel trotz eines Umzugs in die Bundeshauptstadt behalten .