Bei der Landtagswahl in Sachsen verliert die CDU, ist aber trotzdem der Sieger. Nach dem Debakel der FDP spricht vieles für eine Koalition mit der SPD

Dresden. Sie fuhr ihr schlechtestes Wahlergebnis bei Landtagswahlen ein – und hat trotzdem haushoch gewonnen: Die seit der Wende in Sachsen regierende CDU bleibt nach der Landtagswahl vom Sonntag an der Macht. Ministerpräsident Stanislaw Tillich muss sich aber nach dem Debakel der FDP einen neuen Regierungspartner suchen. Die Sachsen wählten die letzte schwarz-gelbe Koalition in einem Bundesland ab. Die Liberalen verloren erdrutschartig und ziehen nicht wieder in den Landtag in Dresden ein. Dafür zog die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) erstmals in einen Landtag ein. Ungewiss war am Abend, ob sich die rechtsextreme NPD dort halten kann. Die Beteiligung an der Wahl am letzten Tag der Sommerferien in Sachsen sank auf unter 49 Prozent.

Die Linke wurde erneut zweitstärkste Kraft, auch die Grünen zogen wieder in den Landtag ein. Als wahrscheinlichste Koalition nach der Abwahl von Schwarz-Gelb gilt in Dresden nun ein Bündnis von CDU und SPD. Das würde auch die Große Koalition von Bundeskanzlerin Angela Merkel stärken. Tillich könnte aber auch mit der AfD regieren, bei einem Scheitern der NPD an der Fünfprozenthürde sogar mit den Grünen.

Der seit 2008 regierende Ministerpräsident sagte: „39 Prozent oder noch ein Stückchen mehr ist ein Superergebnis.“ Tillich verwies darauf, dass die CDU rund 20 Prozentpunkte vorne liege. Er kündigte an, Koalitionsgespräche mit den Grünen und der SPD zu prüfen. In der Frage eines Bündnisses mit der AfD wollte er sich zunächst nicht eindeutig festlegen, rückte aber im Laufe des Abends immer weiter von den EuroKritikern ab. In der ARD stellte Tillich schließlich klar: „Wir werden uns einen Koalitionspartner suchen, mit dem wir auch gemeinsam für das Land etwas erreichen können. Und mit Sicherheit zählt dazu die AfD nicht.“

Auch Peter Tauber, Generalsekretär der Bundespartei, schloss Koalitionen der CDU mit der AfD aus: „Wir haben immer klar gesagt, mit der AfD gibt es keine inhaltlichen Gemeinsamkeiten. Deswegen kann es da aus Sicht der Bundespartei keine Zusammenarbeit geben“, sagte er in der „Berliner Runde“ des ZDF. Auf Nachfrage, ob das auch in Sachsen gelte, sagte Tauber: „So habe ich Stanislaw Tillich verstanden eben.“ Auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer warnte vor einem Bündnis mit den Euro-Skeptikern. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach forderte seine Partei in den „Stuttgarter Nachrichten“ dagegen dazu auf, „die Strategie des Totschweigens der AfD endlich aufzugeben“. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel forderte Tillich, der sich im Wahlkampf nicht klar positioniert hatte, auf, keine Regierung mit der AfD zu bilden: „Das fände ich einen schlimmen Vorgang, mit einer rechtspopulistischen Partei zu koalieren.“

Die sächsischen Sozialdemokraten mit Spitzenkandidat Martin Dulig hoffen nun darauf, Juniorpartner in der Landesregierung zu werden. „Ich habe keine Angst vor Verantwortung“, sagte Dulig. CDU und SPD hatten Sachsen schon von 2004 bis 2009 zusammen regiert. Die SPD verbesserte sich entgegen den Erwartungen aus den Umfragen nur leicht. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sprach von einem „bittersüßen Ergebnis“. Eine Koalition aus CDU und SPD ist nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen auch die Konstellation, die die meisten Bürger in Sachsen bevorzugen. 55 Prozent fänden ein solches Bündnis gut. Ein Zusammengehen der CDU mit der AfD würden nur 17 Prozent begrüßen.

Die FDP setzte ihre Serie schwerer Niederlagen fort und ist jetzt nur noch in acht der 16 Landtage vertreten. Der Abgrenzungskurs gegenüber der Bundespartei zeigte keine Wirkung. Spitzenkandidat Holger Zastrow hatte bewusst darauf verzichtet, prominente Bundespolitiker in den Wahlkampf einzubinden. Zastrow reagierte enttäuscht: „Ich glaube, wir haben alle Register, die man ziehen kann, auch gezogen. Und es hat trotzdem nicht gereicht.“

Die vom Landesvorsitzenden Rico Gebhardt in die Wahl geführte Linke wurde wie schon seit 1999 zweitstärkste Kraft. Ihr fehlen aber die Mehrheiten, um eine Regierung zu bilden. Die Linke-Vorsitzende Katja Kipping forderte SPD und Grüne auf, sich in künftigen Wahlkämpfen klarer zu positionieren. „Man muss etwas tun für eine Wechselstimmung.“

Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir war trotz der leichten Verluste seiner Partei zufrieden und sprach von einem „wichtigen Signal“: „Wir sind eine gesamtdeutsche Partei. Wir wollen in allen Bundesländern vertreten sein.“

Der Großen Koalition in Berlin käme Schwarz-Rot in Dresden sehr gelegen

Der Großen Koalition in Berlin kommt das Ergebnis in Sachsen durchaus gelegen. Bei Bildung einer schwarz-roten Landesregierung in Dresden wächst ihre Stimmenzahl im Bundesrat. Bisher können sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) auf 27 der 69 Stimmen in der Länderkammer stützen. Die absolute Mehrheit liegt bei 35 Stimmen. Mit den Sitzen aus Sachsen käme die Große Koalition auf 31 Stimmen. Die Mehrheitsverhältnisse könnten sich in den kommenden Wochen jedoch in mehrfacher Hinsicht ändern.

Am 14. September werden die Landtage von Brandenburg und Thüringen neu gewählt. In Potsdam regieren bisher SPD und Linke unter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). In Erfurt bilden CDU und SPD eine Koalition, geführt von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU). In Potsdam hat die SPD große Chancen, wieder den Ministerpräsidenten einer rot-roten Koalition zu stellen.

In Thüringen könnte die SPD dagegen für einen einmaligen Machtwechsel sorgen – indem sie in einer rot-roten Koalition mit Dietmar Bartsch erstmals einem Politiker der Linkspartei auf den Stuhl eines Ministerpräsidenten verhelfen. Die CDU ist sich nicht sicher, ob die Sozialdemokraten in Erfurt bereit sind, so die Macht der CDU zu brechen. Möglicherweise lassen die sächsischen Christdemokraten sich daher sehr viel Zeit mit der Entscheidung, mit wem sie Koalitionsgespräche führen – um erst einmal die Strategie der SPD abzuwarten.