Philipp Rösler ist als Gesundheitsminister vorgestellt worden. Exklusiv im Abendblatt präsentiert der 36-jährige FDP-Politiker seine Pläne.

Hamburg/Berlin. Abendblatt: Herr Rösler, Sie sollen neuer Gesundheitsminister werden - als jüngstes Mitglied des schwarz-gelben Kabinetts. Darf man gratulieren?

Philipp Rösler:

Dazu kann ich noch nichts sagen.

Abendblatt:

Wie erklären Sie sich, dass Sie seit Freitagnachmittag als Nachfolger von Ulla Schmidt gehandelt werden?

Rösler:

Vielleicht liegt es daran, dass ich das Gesundheitskapitel für die FDP verhandelt habe.

Abendblatt:

Dann lassen Sie uns über Gesundheitspolitik sprechen. Schwarz-Gelb will die gesetzliche Krankenversicherung umbauen. Entlastet das die Versicherten?

Rösler:

Wir haben den Grundstein für ein robustes Gesundheitssystem gelegt. Wir sind fest davon überzeugt, dass unser Gesundheitssystem besser wird, aber definitiv nicht teurer.

Abendblatt:

Alle Versicherten, ob Chef oder Sekretärin, sollen bald den gleichen Beitrag zahlen. Der Arbeitgeberanteil wird eingefroren. Ist das sozial gerecht?

Rösler:

Gerechtigkeit heißt: Der Starke hilft dem Schwachen, der Gesunde hilft dem Kranken. Der Ausgleich zwischen Arm und Reich muss im Steuersystem erfolgen. Das ist viel gerechter, weil jeder nach Leistungsfähigkeit besteuert wird. Bisher erfolgt dieser Ausgleich innerhalb der gesetzlichen Krankensversicherung, der viele Bürger gar nicht angehören.

Abendblatt:

Wer wird Anspruch haben auf den Sozialausgleich?

Rösler:

Gleich zu Beginn der Legislaturperiode wird eine Regierungskommission eingesetzt, die alle Details erarbeiten wird.

Abendblatt:

Welchen Beitrag leistet eigentlich die Arzneimittelindustrie zur Stabilisierung des Gesundheitssystems?

Rösler:

Wir wollen die Preisgestaltung überprüfen. Unnötige Ausgaben müssen vermieden werden.

Abendblatt:

Die Arzneimittelpreise explodieren. In anderen Industrieländern werden sie von Kommissionen bestimmt.

Rösler:

Preise entwickeln sich am Markt. Sie sollten weder von Regierungen noch von irgendwelchen Kommissionen festgesetzt werden.

Abendblatt:

Fest steht: Schwarz-Gelb hat den neoliberalen Weg in die Privatisierung der Sozialversicherungen eingeschlagen ...

Rösler:

Wir beschreiten den Weg in ein robustes Gesundheitssystem, das nicht mehr alle zwei bis drei Jahre reformiert werden muss. Das System wird besser, ohne teurer zu werden. Wir gehen davon aus, dass die Versicherten keine höheren Beiträge zahlen werden, als das heute der Fall ist.

Abendblatt:

Wollen Sie sagen, auf die Bürger kommen überhaupt keine Belastungen zu?

Rösler:

Wir sind fest davon überzeugt, dass die Entlastung von Bürgern und Unternehmen der einzige Weg ist, um aus der Krise herauszukommen. Die Zeit der Belastung war die Zeit der schwarz-roten Koalition. Aber die ist zum Glück vorbei.

Abendblatt:

Union und FDP wollten einen Schattenhaushalt einrichten und die Schuldenbremse im Grundgesetz umgehen. Ist es das, was Sie sich unter einem Neuanfang vorstellen?

Rösler:

Wir wollten nichts verschleiern. Wir haben über die Einrichtung eines Sondervermögens nachgedacht, weil krisenbedingte Einnahmeausfälle nichts mit der aktuellen Politik zu tun haben.

Abendblatt:

Christian Wulff, mit dem Sie bisher in Niedersachsen regiert haben, drohte in den Verhandlungen, er werde massive Steuersenkungen im Bundesrat nicht mittragen. War das mit Ihnen besprochen?

Rösler:

Wir sind uns einig, dass Länderinteressen gewahrt bleiben müssen. Aber ich bin davon überzeugt: Alle 27 Vertreter von FDP und Union, die den Koalitionsvertrag am Montag unterzeichnen, werden hinter diesem Vertrag stehen.

Abendblatt:

Was bringt die schwarz-gelbe Bundesregierung speziell den Menschen in Norddeutschland?

Rösler:

Wir haben einiges vereinbart im Bereich der Verkehrsanbindung. Knotenpunkte und Engstellen wie in Hamburg-Harburg werden entlastet. Das kommt der Hafenhinterlandanbindung zugute, auch die ist im Koalitionsvertrag festgeschrieben.

Abendblatt:

An den Verhandlungstischen waren Norddeutsche unterrepräsentiert. Wird Deutschland jetzt eher von München und Düsseldorf aus regiert?

Rösler:

Auf gar keinen Fall. Christian Wulff und ich haben den Norden ja stark vertreten. Wir haben Themen wie die Hafenhinterlandanbindung und die Stärkung der maritimen Wirtschaft immer wieder aufgegriffen. Wir können sicher sein, dass die Interessen des Nordens stark berücksichtigt werden.

Abendblatt:

Wie lief es eigentlich mit Host Seehofer? Im Wahlkampf hatte seine CSU der FDP noch "geistige Windstille" unterstellt ...

Rösler:

Das haben wir ganz gelassen gesehen. Wir wissen, dass persönliche Streitereien das Wahlergebnis nicht unbedingt verbessern. Ich weise diskret und bescheiden darauf hin, dass die FDP im Bundestag doppelt so stark vertreten ist wie die CSU.

Abendblatt:

Die Lästerei ging in den Koalitionsverhandlungen weiter. Man habe gemerkt, dass die FDP elf Jahre in der Opposition gewesen sei ...

Rösler:

Das interpretiere ich so, dass man unsere Frische und Dynamik immer wieder gespürt hat.

Abendblatt:

Was ist FDP pur in diesem Koalitionsvertrag?

Rösler:

Wenn man sich die Ergebnisse bei der Gesundheit ansieht, erkennt man: Das ist genau das, was die FDP immer gefordert hat. Wir finden uns auch sehr stark bei der Pflege wieder und bei den Bürgerrechten. Wir können stolz auf das Erreichte sein.

Abendblatt:

Die FDP ist der Sieger der Koalitionsverhandlungen?

Rösler:

Es ist immer blöd, wenn man sich selber zum Sieger ausruft. Die Leute sollen sich den Koalitionsvertrag anschauen und dann ihr eigenes Urteil bilden. Mir ist da ganz und gar nicht bange.