Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) findet es gut, wenn Volksparteien ein Korrektiv an ihrer Seite haben.

Berlin. Der ehemalige Hamburger Bürgermeister und frühere Bundesbildungsminister Klaus von Dohnanyi (SPD) kritisiert die Europapolitik seiner Partei und setzt auf eine erneute Berufung von Wolfgang Schäuble.

Hamburger Abendblatt: Herr von Dohnanyi, wird die SPD mit der CDU/CSU eine große Koalition bilden?

Klaus von Dohnanyi: Das kann man noch nicht sagen. Das hängt auch davon ab, was die Union will.

Sehen Sie noch eine Alternative zu einer großen Koalition?

Dohnanyi: Ja. Ich bin schon lange Anhänger von schwarz-grünen Koalitionen, habe mich dafür schon Mitte der 1990er-Jahre ausgesprochen. Ebenso befürworte ich sozialliberale Regierungsbündnisse. Es ist gut, wenn die Volksparteien mit einer Partei regieren, die andere politische Grundauffassungen prägen, eine andere Philosophie.

Ihr Nachfolger, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, hat kürzlich ein sozialliberales Profil der SPD angemahnt. Hat er Recht, und was verbirgt sich hinter dieser Vorstellung?

Dohnanyi: Scholz hat Recht. Die sozialliberalen Koalitionen waren allesamt sehr produktiv. Ich bin dafür, dass jede Volkspartei – die SPD als Mitte-links, die Union als Mitte-rechts – in einer Koalition ein Korrektiv besitzt. Also bisher die FDP mit ihrem wirtschaftspolitischem Profil gegenüber der SPD, und die Grünen mit ihrer ökologisch-sozialen Ausrichtung gegenüber der CDU/CSU. Von Rot-Grün habe ich noch nie etwas gehalten.

In Ihrer Partei sind die Vorbehalte gegen eine große Koalition sehr ausgeprägt.

Dohnanyi: Das mag ja sein, aber was heißt das? Am Ende geht es darum, dieses Land stabil zu regieren. Die Parteien werden eine parlamentarische Einigung zustande bringen müssen. Es geht um die Einsicht in Notwendigkeiten. Auch wenn dies vielleicht eine Weile dauert.

Mancher wünscht sich ein gemeinsames Regieren mit den Linken, das die SPD-Spitze ausschließt. Sehen Sie eine solche Koalition in den kommenden Jahren?

Dohnanyi: Das liegt einzig und allein an den Linken. Diese Partei ignoriert, anders als die SPD, die weltwirtschaftlichen Zusammenhänge in ihrer Sozialpolitik. Globalisierung ist ein Fremdwort für sie, als ginge es um Reformpolitik für die DDR. So lange das so ist, kann die SPD mit den Linken nicht koalieren.

In der SPD gibt es mehr emotionale als inhaltliche Probleme mit der Union. Was ist das größere Hemmnis?

Dohnanyi: Das kann ich nicht sagen. Es gibt diese emotionalen Vorbehalte, aber sie sind nicht gerechtfertigt. Inhaltliche Differenzen sehe ich vor allem in der Europapolitik: Helfen, bevor die Länder bereit sind zu reformieren (SPD); helfen nur bei konsequenter Reformpolitik (CDU/CSU und FDP). Ich halte die Europapolitik der bisherigen Bundesregierung für überzeugender.

In welcher Hinsicht?

Dohnanyi: Wir können doch den Griechen nicht dauerhaft helfen! In vielerlei Hinsicht hinken sie den Türken hinterher. Nur Reformen führen zu wirtschaftlicher Dynamik.

Noch einmal zum Modell einer großen Koalition: Ist es eigentlich ein Automatismus, dass die kleinere Koalitionspartei das Auswärtige Amt beansprucht?

Dohnanyi: Nein. Das Bundesfinanzministerium ist wichtiger. Im Jahre 2009 war auch die CDU/CSU der Ansicht, dass Leute mit massiven Steueraussagen vor der Wahl nicht ins Finanzministerium gehören.

Wünschen Sie sich, dass der heutige Finanzminister auch der künftige Finanzminister ist?

Dohnanyi: Ja. Wolfgang Schäuble macht doch seine Arbeit sehr gut: Er ist in Europa als Europäer glaubwürdig, hat aber trotzdem keine Position frei gegeben, die man verantwortungsvoll nicht freigeben sollte.

Wünschen Sie sich, dass Peer Steinbrück in der aktiven Politik bleibt?

Dohnanyi: Ja.