Bund und Länder ziehen Konsequenzen aus dem Skandal um Pferd in Fertiggerichten. Die Minister drohen Produzenten scharfe Sanktionen an.

Berlin. Hessens Verbraucherschutzministerin Lucia Puttrich (CDU) kündigte grundlegende Veränderungen an: "Wir wissen nicht, wie groß dieser Pferdefleisch-Skandal ist, wir wissen auch nicht, wie viel unter Umständen noch hinzukommen wird", sagte Puttrich, die Vorsitzende der Länderministerkonferenz ist, nach deren Treffen in Berlin. Deshalb werde jetzt das gesamte bisherige Kontrollsystem auf den Prüfstand gestellt. "Wir wissen, dass wir hier ein weitverzweigtes System haben, das offensichtlich betrügerisch angelegt war." Auch Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner rechnet damit, "dass noch mehr Fälle aufgedeckt werden". Die CSU-Politikerin versprach: "Bund und Länder ziehen an einem Strang." Ihr ursprünglich nur sieben Punkte umfassender Aktionsplan wurde allerdings vor allem auf Drängen der SPD-geführten Länder um drei Punkte ergänzt. So pochten die SPD-Länder nach den Worten von Mecklenburg-Vorpommerns Verbraucherschutzminister Till Backhaus (SPD) auf die Überprüfung des Strafmaßes bei der Täuschung von Lebensmitteln. "50.000 Euro und bis zu drei Jahren Gefängnis reichen als Strafrahmen nicht aus", sagte Backhaus. "Es darf sich nicht lohnen, die Verbraucher zu täuschen."

Die Länder drängten auch darauf, die Mitteilungs- und Eigenkontrollpflichten für Lebensmittelunternehmen zu verschärfen. Nach Ansicht von Backhaus sind primär die Lebensmittel verarbeitenden Unternehmen für die Sicherheit und die Kennzeichnung ihrer Produkte verantwortlich. Bislang aber können die Behörden wegen einer Gesetzeslücke die Verbraucher nicht ohne Weiteres konkret über Kennzeichnungsverstöße informieren. Da von den gepanschten Produkten nach bisherigem Stand keine akuten Gesundheitsgefahren ausgehen, ist eine Nennung von Hersteller und Anbieter rechtlich nur dann zulässig, wenn die betroffenen Unternehmen selbst öffentlich informieren beziehungsweise einer Veröffentlichung zustimmen. Bund und Länder wollen Informationen über zurückgerufene Produkte künftig auf einer zentralen Internetseite veröffentlichen. Auch eine telefonische Hotline steht für Verbraucherfragen bereit. Aigner kündigte auch die Entwicklung eines "Frühwarnsystems" an, mit dem Auffälligkeiten bei Preisveränderungen und Warenströmen registriert und wissenschaftlich ausgewertet werden sollen. So könnten mögliche Anreize für Betrug mit Lebensmitteln aufgedeckt werden.

Bayerns Gesundheitsminister Marcel Huber nahm auch die Verbraucher in die Pflicht. "Wer immer nur darauf achtet, das allerbilligste Schnäppchen zu kaufen, ohne darüber nachzudenken, ob das für diesen Preis überhaupt herstellbar ist, der hat seinen Beitrag auch dazu geleistet, dass es so weit kommt", sagte der CSU-Politiker dem Bayerischen Rundfunk.

Die Grünen warfen Aigner Aktionismus vor. Das bestehende System wolle die Ministerin in Wahrheit erhalten, sagte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. Eine Pflichtkennzeichnung verarbeiteten Fleischs sei eine Selbstverständlichkeit. Die Grünen streben unter anderem aber auch ein überzeugendes Label für regional erzeugte Lebensmittel an. "Wir wollen das gläserne Produkt." Fleisch sei auch wegen der Niedriglöhne in Schlachthöfen extrem billig. "Hier braucht es auch eine Konsumdebatte." Mehr Qualität statt Quantität sei nötig.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte die Bundesregierung auf, unabhängig von Brüssel Untersuchungsverpflichtungen im nationalen Lebensmittelstrafrecht festzuschreiben und Verstöße entsprechend ahnden zu lassen. Vize-Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt kritisierte die Haftungsverpflichtungen des Handels als völlig unzureichend. "Die Handelsketten verkaufen Produkte unter ihrem eigenen Namen, für deren Qualität und Rechtskonformität sie strafrechtlich, aber faktisch nicht belangt werden können." Der Handel müsse für seine Eigenmarken geradestehen und bei Täuschung oder Gesundheitsgefährdung strafrechtlich als Täter belangt werden.

Inzwischen weitet sich der Skandal immer weiter aus. Auch in Hessen sind in mehreren Fertiggerichten Anteile von Pferdefleisch gefunden worden. Positiv waren Proben bei Gerichten wie Lasagne, Chili con Carne, Tortelloni oder Burgern, wie das Umweltministerium in Wiesbaden mitteilte. Wo Pferdefleisch gefunden wurde, soll es nun weitere Tests auf das Medikament Phenylbutazon geben. In Nordrhein-Westfalen wurde ebenfalls bei amtlichen Kontrollen nicht deklariertes Pferdefleisch in Lebensmitteln entdeckt. Man habe bislang drei positive Befunde, berichtete das Verbraucherschutzministerium in Düsseldorf. In der vergangenen Woche wurden insgesamt rund 150 Proben in NRW genommen. In Berlin sollen als Konsequenz aus dem Fleischskandal Döner stärker kontrolliert werden. Es sei eine Zumutung für muslimische und jüdische Mitbürger, Döner mit Schweinefleisch zu essen, sagte Senator Thomas Heilmann (CDU).