Parteichef Rösler nimmt Rainer Brüderle in Schutz: „Das ist eine Kampagne gegen die gesamte FDP“. Die Debatte erreicht derweil das Ausland.

Berlin. Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler hat sich in der Sexismus-Debatte erstmals zu Wort gemeldet und Fraktionschef Rainer Brüderle den Rücken gestärkt. „Die Vorwürfe gegen ihn sind durchsichtig und haltlos. Das ist eine Kampagne gegen die gesamte FDP“, sagte Rösler dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Dienstag). Gleichwohl sei eine gesellschaftliche Debatte über Sexismus notwendig, fügte der Vizekanzler und Wirtschaftsminister hinzu. „Denn es gibt offenbar ein breites Bedürfnis, darüber zu diskutieren, aber bitte auf der Sachebene und nicht mit aggressiver Polemik.“

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte, die Politik solle die Sexismus-Debatte ernst zu nehmen. „Wir Grüne haben uns seit langem gegen solchen Sexismus eingesetzt – und in unseren eigenen Strukturen gute Erfahrungen mit Quoten gemacht“, sagte Trittin der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag). „Je mehr Frauen in Führungspositionen, desto weniger Sexismus – das ist meine Erfahrung.“ Noch zu Wochenbeginn hatte FDP-Generalsekretär Patrick Döring erklärt, Rösler wolle keine Stellung beziehen. Dies sei mit Brüderle, dem FDP-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, abgesprochen gewesen. Nun scheint in der Parteispitze der Eindruck gereift zu sein, dass die FDP der intensiv geführten öffentlichen Sexismus-Debatte nicht länger ausweichen sollte.

Brüderle schweigt

Brüderle selbst hatte in einer Sitzung des FDP-Präsidiums deutlich gemacht, dass er weiterhin schweigen will. Offen war am Dienstag, ob Brüderles übliches Pressefrühstück mit Journalisten am Mittwoch nun stattfindet oder nicht. Dann könnte er auf die „Stern“-Journalistin Laura Himmelreich treffen. Die Reporterin hatte in einem Porträt über Brüderle geschrieben, dieser habe sich – vor über einem Jahr an einer Hotelbar – ihr gegenüber anzüglich geäußert. Dieser Fall löste in Internet und Medien eine Debatte über Sexismus und Rollenbilder in Politik und Gesellschaft aus.

FDP-Bundesvorstandsmitglied Manuel Höferlin sagte der „Bild“-Zeitung (Dienstag): „Die Vorwürfe schaden uns nicht, im Gegenteil: Sie schweißen die FDP eher zusammen und stärken uns.“ So sieht es auch Parteivize Holger Zastrow. „Jeder normale Bürger erkennt, dass es offensichtlich eine komische Inszenierung gegen Brüderle und die FDP ist“, sagte er zu „Bild“. Laut Umfragen kann die FDP im September auf den Wiedereinzug in den Bundestag hoffen. Bei den Instituten GMS und INSA (für „Bild“) legten die Liberalen um einen Punkt auf 5 Prozent zu.

Anfang März will die FDP bei einem Parteitag in Berlin ihre neue Führungsspitze wählen. Rösler kandidiert für zwei weitere Jahre. Der nordrhein-westfälische FDP-Landeschef Christian Lindner könnte einen der Stellvertreterposten übernehmen. Der 34-Jährige war Ende 2011 als Röslers Generalsekretär in Berlin zurückgetreten. Rösler würde ihn aber nun gern wieder dabei haben: „Christian Lindner ist eine herausragende liberale Persönlichkeit und ein erfolgreicher Wahlkämpfer. Für den Wahlkampf brauchen wir die Besten im Team – und da zählt er unbestritten dazu.“

Deutsche Sexismus-Debatte erreicht Ausland

Die Debatte über den alltäglichen Sexismus in Deutschland zieht derweil weiter ihre Kreise. Auch die „New York Times“ berichtet über die Vorwürfe der „Stern“-Journalistin und die Reaktionen in den sozialen Netzwerken. Zwar gelte Deutschland als ein Land, in dem die Gleichberechtigung von Frauen und Männern längst verwirklicht sei, schreibt die Zeitung. In der aktuellen Diskussion entstehe aber ein ganz anderes Bild.

Nach Günther Jauch macht auch Anne Will die Debatte zum Thema ihrer Talkshow. Der Titel der Sendung am Mittwoch (22.45 Uhr, ARD) lautet „Sexismus-Aufschrei – hysterisch oder notwendig?“

Als Gäste begrüßt Will die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast, den früheren CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, die Unternehmerin und Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg (Piraten), die ehemaligen Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Goslar, Monika Ebeling, sowie den Journalisten Jan Fleischhauer.