Stimmungsbarometer zum 50. Jahrestag des Elysée-Vertrags zeigt: Gegenseitige Wertschätzung groß - aber Wirtschaftskrise löst Ängste aus.

Berlin/Saarbrücken. 50 Jahre nach dem Elysée-Vertrag stehen die Franzosen Deutschland offenbar distanzierter gegenüber als dies umgekehrt der Fall ist. Nach einem am Dienstag in Berlin präsentierten „Stimmungsbarometer“ halten 39 Prozent der Franzosen das Verhältnis zu den Nachbarn für schlechter als in der Vergangenheit. Unter den Bundesbürgern meinen dies nur 14 Prozent. Gleichzeitig mögen 82 Prozent der Deutschen und 73 Prozent der Franzosen das Nachbarland leidenschaftlich oder sehr.

Dabei spielen die Schatten der Vergangenheit bei 26 Prozent der Deutschen eine mehr als doppelt so große Rolle wie bei ihren Nachbarn. Die Studie macht aber auch deutlich, wie sehr sich beide Länder wechselseitiger Wertschätzung erfreuen. Der Vertrag zur deutsch-französischen Freundschaft war am 22. Januar 1963 unterzeichnet worden.

An der von mehreren öffentlich-rechtlichen Sendern beider Länder realisierten Online-Umfrage haben sich nach Angaben des federführenden Saarländischen Rundfunks (SR) mehr als 25.000 Bürger, gleichgewichtig aus beiden Ländern, beteiligt. SR-Intendant Thomas Kleist räumte ein, dass die Ergebnisse „sicher nicht repräsentativ“ seien.

„Die deutsch-französische Freundschaft ist also lebendiger denn je“, fassen die Intendanten von Saarländischem Rundfunk, Deutschlandradio, Radio France und ARTE die Antworten der Befragung zusammen, an der sich rund 25.000 Menschen beteiligten. Allerdings war die Auswahl nicht repräsentativ, so dass die Zahlen lediglich ein Stimmungsbarometer sein sollen.

Die auswertende Politikwissenschaftlerin Sabine von Oppeln von der Freien Universität Berlin sprach sogar von einer „Eliten-Untersuchung“, da sich daran insbesondere das am jeweils anderen Land interessierte „Bildungsbürgertum“ beteiligt habe. Gerade deshalb komme dem „Barometer“ aber auch ein Aussagewert zu.

Eine Ursache für die in manchen Bereichen vorhandene Distanz dürfte in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise liegen, nicht in Desinteresse oder Antipathie. Mit knapp 60 Prozent können sich mittlerweile mehr Franzosen ein Leben in Deutschland vorstellen als umgekehrt. 44 Prozent sehen in der Bundesrepublik sogar ein Modell für die weitere Entwicklung ihres Landes. Frankreich wird dies lediglich von 22 Prozent der Bundesbürger attestiert.

Auf Seiten der Franzosen dürften hinter dieser Wertschätzung durchaus Gefühle von Rivalität und Angst vor der Wirtschaftsmacht Deutschland mitschwingen, ergeben weitere Detailergebnisse der Umfrage. Aber selbst ein Urlaub diesseits des Rheins ist inzwischen für fast 80 Prozent der Franzosen denkbar. Das wird allerdings immer noch deutlich von den 94 Prozent der Deutschen übertroffen, die sich Ferien zwischen Bretagne und Korsika wünschen.

Hinsichtlich der den Nachbarn zugeschriebenen Eigenschaften spiegelt das Stimmungsbarometer die traditionellen Klischees wider. So bezeichnen die Deutschen die Franzosen vorrangig als genießerisch, individualistisch und kreativ. Die Bundesbürger gelten im Nachbarland hingegen weiter vor allem als gründlich, diszipliniert und fleißig. „Die Stereotypen bleiben bestehen“, kommentierte Oppeln dieses Ergebnis.

Ferner bemerkenswert ist das hohe Vertrauen, das jedes Land trotz aller Krisen etwa in das jeweils eigene Gesundheitswesen setzt. Mit einem Wert von fast 50 Prozent haben die Franzosen hier allerdings einen leichten Vorsprung vor den Deutschen.

Noch deutlicher fällt dieser bei der Frage nach dem System der sozialen Sicherung aus: Während sich hiervon gerade einmal die Hälfte der Bundesbürger überzeugt zeigen, sind es im Nachbarland fast drei Viertel der Befragten.

Auch das Plädoyer für ein „starkes“ Europa ist im französischen Bildungsbürgertum doppelt so hoch. Dafür wird in Deutschland der Wunsch nach einem „friedlichen“ Kontinent fast vier Mal so häufig geäußert.