FDP kommt vor Niedersachsen-Wahl nicht zur Ruhe. Führungskrise eher noch verschärft. CSU-Chef Seehofer mahnt Ende des Personalstreits an.

Berlin. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat den in einer tiefen Führungskrise steckenden Koalitionspartner FDP aufgefordert, seine „Selbstbeschäftigung“ zu beenden. „Wenn man pausenlos über Strategien und Personal redet, kann sich der Erfolg nicht einstellen“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Die CSU sei eindeutig für die Fortsetzung der Koalition mit der FDP, aus seiner Partei schieße niemand gegen FDP-Chef Philipp Rösler. Die FDP-Spitze müsse aber endlich „zur Geschlossenheit finden“, dann stünde die Partei auch besser da. Das Potenzial für die FDP in Deutschland liege „deutlich über fünf Prozent“.

Nach den schweren internen Konflikten beim FDP-Dreikönigstreffen am Sonntag in Stuttgart gerät nun verstärkt Entwicklungsminister Dirk Niebel in die Kritik. Seine FDP-Kabinettskollegin, Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, griff Niebel wegen seiner emotionalen Äußerungen zur liberalen Führungskrise an. Im Bayerischen Rundfunk (Bayern 2) sagte sie am Montag, als Mitglied der FDP-Führung habe Niebel zwar auch seine Sorgen um die Partei zum Ausdruck zu bringen – es zähle aber in der Politik, was am besten für die Bürger sei, „und nicht, dass man seine Selbstbefindlichkeit darlegt“. Eine solche Ausbreitung des Seelenlebens nach außen beschädige die Partei.

Lasse Becker, der Vorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), warf dem Entwicklungsminister am Montag auf Radio eins vom RBB „mediale Selbstbefriedigung“ vor – die brauche „kein Mensch in dieser Partei“. Er betonte: „Dirk Niebel glaubt, dass Dirk Niebel eine gute personelle Alternative ist – aber ich glaube, außer Dirk Niebel glaubt das niemand in der Partei.“ Den Bürgern sei „absolut egal, wie das Schicksal von Philip Rösler aussieht, wie die Zukunft von Rainer Brüderle aussieht oder der Egotrip von Dirk Niebel – die Menschen wollen ordentliche Politik, und wenn man nur über sich selbst redet, dann bekommt man die zumindest nicht sichtbar.“

Beim traditionellen Dreikönigstreffen hatte Niebel am Sonntag die Krise der FDP mit scharfer emotionaler Kritik an der Parteiführung weiter angeheizt. In Stuttgart forderte er offen ein neues Führungsteam für die Bundestagswahl. Rösler verlangte dagegen, die Reihen zwei Wochen vor der wichtigen Niedersachsen-Wahl zu schließen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) riet seiner Partei, sich im Wahlkampf auf inhaltliche Fragen zu konzentrieren. „Ich unterstütze meine Partei, zum Beispiel im Wahlkampf an diesem Wochenende in Niedersachsen, aber an Personaldebatten beteilige ich mich nicht.“

FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte am Montagmorgen im ZDF: „Ich rate uns aber, uns um die Inhalte (...) zu kümmern und nicht, dass wir uns weiter mit uns selbst beschäftigen. Es geht ja um die Sache, wir sind ja alle nicht in einer Therapiegruppe, sondern in einer politischen Partei.“ Das Ergebnis in Niedersachsen habe Signalwirkung für die Bundestagswahl im Herbst. Ähnlich äußerte sich FDP-Fraktionsvize Martin Lindner: Die Partei dürfe sich nicht in einer „ständigen Selbstbeschau, in einer Selbstzerfleischung“ mit sich selbst beschäftigen, sagte er im RBB-Inforadio.

Auch der stellvertretende FDP-Vorsitzende Holger Zastrow forderte ein Ende der Personaldebatte. „Ich gehe davon aus, dass jetzt alle Führungsmitglieder mal zwei Wochen die Klappe halten“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Montag). Die niedersächsische FDP müsse die Möglichkeit haben, „ihre Erfolge in der Koalition und ihre Ziele für liberale Politik“ in den Vordergrund des Wahlkampfs zu stellen.

Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach kritisierte den Umgang mit Rösler. „Es gilt auch für die FDP das alte Prinzip: Entweder muss man einen Parteivorsitzenden stützen. Oder man muss ihn stürzen“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Montag). „Der Umgang mit Philipp Rösler ist nicht fair.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel betrachtet die FDP nach ihrem Dreikönigstreffen als überflüssig. „Die FDP von heute will die Menschen den Märkten ausliefern. Sie ist in der Wahrheit illiberal und wird deshalb nicht mehr gebraucht, egal welche Person dort an der Spitze steht“, sagte er der Zeitung „Die Welt“.