SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat vor dem Jahreswechsel die Euro-Rettungspolitik kritisiert und hält Kanzler für unterbezahlt.

Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat kurz vor dem Jahreswechsel in das Wahljahr 2013 noch einmal zu einem verbalen Rundumschlag ausgeholt. Das Abendblatt fasst die wichtigsten Aussagen in einer Übersicht zusammen.

Steinbrück kritisiert Euro-Rettungspolitik als zu streng

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat den Sparkurs der europäischen Staaten im Kampf gegen die Schuldenkrise als zu rigide kritisiert. 90 Prozent dessen, was die europäischen Staats- und Regierungschefs bei den bisher über 25 Gipfeltreffen beschlossen hätten, seien auf die Konsolidierung der Haushalte gerichtet gewesen, sagte Steinbrück in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Einige Länder müssten in diesem und dem kommenden Jahr fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts einsparen, dies entspräche in Deutschland Einsparungen von 150 Milliarden Euro: „Was glauben sie, was da bei uns auf den Straßen los wäre!“, sagte der SPD-Politiker. „Die Sparpolitik ist zu hart, sie führt in die Depression, mahnte Steinbrück.

Zugleich verteidigte der Ex-Finanzminister die Haltung seiner Partei, in der Schuldenkrise den Kurs der Regierung weitgehend zu stützen. „Wir stimmen Rettungsmaßnahmen zu, weil wir das für den richtigen und verantwortlichen Kurs in unserer Europa-Politik halten und weil wir auch in der Opposition Entscheidungen treffen müssen, an die wir in der Regierungsverantwortung nahtlos anknüpfen müssen.“

Steinbrück: Merkel profitiert von Frauenbonus

Peer Steinbrück führt in dem Interview mit dem Blatt die Popularität von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) darauf zurück, dass sie eine durchsetzungsstarke Frau ist und bescheiden wirkt. „Angela Merkel ist beliebt, weil sie einen Frauenbonus hat“, sagte Steinbrück. Weibliche Wähler würden ihre Durchsetzungskraft in hohem Maße anerkennen. Die Kanzlerin habe sich „in einer Männerwelt durchgesetzt, wirkt sehr unprätentiös und tritt bescheiden auf“. Auch bei SPD-Wählern komme das gut an. „Das heißt aber nicht, dass ich als der Gottseibeiuns wahrgenommen werde“, fügte Steinbrück hinzu.

Sein Verhalten will der Kanzlerkandidat nicht an den Vorteilen seiner Gegnerin im Bundestagswahlkampf ausrichten. Er werde nicht versuchen, sich grundsätzlich zu ändern oder in einem Kurs zu lernen, Beliebtheitspunkte zu sammeln. „Das würde ohnehin als Schauspielerei entlarvt“, sagte Steinbrück. Wahlen würden nicht nach Beliebtheit entschieden. 2005 sei er als Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens beliebter gewesen als sein damaliger Kontrahent Jürgen Rüttgers von der CDU und habe trotzdem die Landtagswahl verloren.

Steinbrück: Kanzler sind unterbezahlt

Steinbrück hält deutsche Regierungschefs für unterbezahlt und stößt damit parteiübergreifend auf Kritik. „Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin“, sagte der SPD-Politiker dem Blatt weiter. „Ein Bundeskanzler oder eine Bundeskanzlerin verdient in Deutschland zu wenig – gemessen an der Leistung, die sie oder er erbringen muss und im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten mit weit weniger Verantwortung und viel größerem Gehalt.“ Ähnlich hatte Anfang November auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel argumentiert.

Nicht nur in der Union, sondern auch in der eigenen Partei regte sich deutlicher Widerspruch. Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) findet „die Politiker in Deutschland angemessen bezahlt“. Er habe davon immer leben können, sagte er der „Bild am Sonntag“. „Und wem die Bezahlung als Politiker zu gering ist, der kann sich ja um einen anderen Beruf bemühen.“

Der Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz befand in der „FAS“: „Wenn wir Politiker uns an den Gehältern in der Wirtschaft orientieren, dann machen wir einen Fehler.“ Sein Kollege Hans-Peter Bartels riet Steinbrück in der Zeitung, sich eher am öffentlichen Dienst zu orientieren. Als Kanzler wirken zu können, sei eine Ehre. „Man macht es nicht, um reich zu werden.“ Ähnlich äußerten sich der Haushaltspolitiker Carsten Schneider und Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner.

Auch auf Twitter gehört Steinbrück zu dem Top-Thema unter den deutschen Nutzern des Kurznachrichtendienstes. Der SPD-Kanzlerkandidat wird mit veränderten Filmtiteln in Verbindung gebracht.

Kraft beliebter als Steinbrück

Unterdessen ist laut einer am Sonntag veröffentlichten TNS-Umfrage im Auftrag des „Spiegels“ die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) bei den Wahlbürgern beliebter als SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Kraft rückte zudem auf Platz drei der beliebtesten Spitzenpolitiker vor. Auf den ersten beiden Plätzen bleiben Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

In der vierteljährlichen Umfrage steigerte Kraft ihre Beliebtheitswerte: 59 Prozent gaben an, dass sie künftig „eine wichtige Rolle“ spielen solle, vor einem Vierteljahr waren es lediglich 55 Prozent. Steinbrück hingegen stieß nur bei 54 Prozent der Befragten auf Zustimmung.

Gauck und Merkel erzielten beide wesentlich höhere Beliebtheitswerte: Das Staatsoberhaupt legte innerhalb von drei Monaten von 75 auf jetzt 79 Prozent zu, Merkel von 66 auf 71 Prozent. Einen deutlichen Sprung machte Grünen-Politiker Jürgen Trittin, dem diesmal 47 Prozent statt zuvor 39 Prozent der Befragten eine wichtige Rolle wünschten.

Mit Material von rtr/dpa/dapd