Ein Gesetz soll den Preisanstieg für Wohnungen in Großstädten wie Hamburg bremsen - doch an den Plänen der Regierung gibt es scharfe Kritik.

Hamburg/Berlin. Die Geburtenrate in Deutschland sinkt, weniger Menschen leben in der Bundesrepublik. Und doch braucht Deutschland in Zukunft mehr Wohnungen: Nach einer Prognose des Bundesbauministeriums steigt die Zahl der Haushalte von 40,3 auf 41,1 Millionen bis zum Jahr 2025. Denn in jeder einzelnen Wohnungen leben im Durchschnitt immer weniger Menschen, die Zahl der Single-Haushalte nimmt zu. Und die Mieten steigen. Vor allem in Großstädten, vor allem in den innenstadtnahen Vierteln. Viele sagen, die Preise explodieren.

Und noch ist die Spitze der Preisentwicklung nicht erreicht. Laut der Rating-Agentur für den Immobilienmarkt "Feri EuroRating" steigt die Miete in Hamburg bis 2015 durchschnittlich um 10,5 Prozent, in München um 9,5 Prozent, in Frankfurt um 9,3 Prozent und in Berlin um 8,2 Prozent. Ein Trend, dem die Bundesregierung von Union und FDP nun mit einem neuen Mietrecht entgegenwirken will. Doch nicht alle feiern die Pläne der Koalition - und kritisieren das am Donnerstag im Bundestag verabschiedete Gesetz scharf. Nebenbei gilt es, für eine erfolgreiche Energiewende auch die energetische Gebäudesanierung voranzutreiben. Auch dafür sieht das Gesetz Anreize vor. Im Frühjahr sollen die neuen Regelungen in Kraft treten.

Grenze für Mieterhöhung: In jedem Jahr ziehen nach Angaben des Mieterbundes zwei Millionen Menschen um. Vor allem bei Neuverträgen steigen die Preise rasant an. Die Reform von Schwarz-Gelb gibt den Bundesländern nun die Möglichkeit, eine Grenze für steigende Mieten einzuführen: Statt bisher um 20 Prozent darf ein Vermieter die Preise für Wohnungen bald nur noch um maximal 15 Prozent innerhalb von drei Jahren anheben. Für Großstädte wie Hamburg oder Berlin bedeutet das Gesetz, dass der Senat entweder einzelne Bezirke oder die gesamte Stadt als Gebiet festlegen kann, in dem Erhöhungen begrenzt werden. "Damit wollen wir verhindern, dass Mieter in begehrten Lagen aus ihren Wohnungen verdrängt werden, weil sie die Miete nicht mehr zahlen können", sagt die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Andrea Voßhoff.

Der Haken an dem neuen Gesetz: Es gilt nur für Bestandsmieten - die deutlich schärferen Auswirkungen auf Mietpreise durch Neuverträge berührt die Maßnahme nicht. Und so kritisieren Mieterbund und Opposition von SPD und Grünen die Eindämmung als unzureichend. "Keine Miete soll mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Miete liegen, wo Wohnungsknappheit herrscht", sagt die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast. Ihre Partei fordert einen Wandel in der Stadtplanung. "Aufgrund der Demografie sind mehr Wohnungen für Single-Haushalte und für Geringverdiener unabdingbar, auch die Nähe zum Arbeitsplatz muss einem Mieter grundsätzlich möglich werden", sagte Künast. Schon heute geben die Haushalte in Deutschland laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich 34 Prozent ihres Einkommens für Miete, Strom und Heizkosten aus. In Hamburg liegt die Belastung nach neuen Zahlen des Instituts Forschung & Beratung bereits bei 40 Prozent - nirgends ist der Anteil so hoch wie hier.

Für Heinrich Stüven, dem Vorsitzenden des Grundeigentümerverbands in Hamburg, sei in der Debatte um Mietpreise allerdings etwas schief. "Es wird ignoriert, dass langjährige Mietverträge nur entlang des Mietspiegels erhöht werden können." Hier liege die Preissteigerung unterhalb der Lebenshaltungskosten. Wer also nicht gerade eine neue Wohnung mietet, hat keine Probleme. Zudem hätten Eigentümer in Stadtteilen wie Lokstedt oder Billstedt Schwierigkeiten, ihre Wohnungen zu günstigen Preisen von acht Euro pro Quadratmeter zu vermieten.

Abschaffung der Mietminderung: Der Erfolg der Energiewende in Deutschland entscheidet sich auch in den Wohnungen. Auf den Gebäudebereich entfallen 40 Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs und etwa ein Drittel der CO2-Emissionen, schreibt das Umweltministerium. Drei Viertel des Altbaubestands wurden noch vor der Wärmeschutzverordnung 1979 errichtet und oft gar nicht oder kaum energetisch saniert. Aus Sicht der Regierung sollen Vermieter und Eigentümer nun zu Investitionen animiert werden: Mieter müssen Lärm, Dreck und Gerüste vor dem Fenster drei Monate lang ertragen - sofern das Haus für eine höhere Energieeffizienz saniert wird. Erst nach drei Monaten greift das Recht auf Mietminderung. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte: "Unter dem Deckmantel des Energiesparens beschneidet die Bundesregierung mit ihrem Gesetz die Rechte der Mieter." Die Aufhebung der Mietminderung sei nicht der entscheidende Anreiz, der aufseiten der Eigentümer zu einer Investitionsflut beim energieeffizienten Bauen führe - der Eingriff in die Rechte der Mieter allerdings erheblich. Sie fordert mehr Geld vom Staat für die energetische Sanierung und "eine gerechte Einbindung von Mieter und Vermieter in die Kosten der Sanierungen".

Stüven vom Verband der Grundeigentümer sieht durch das neue Gesetz die Vermieter entlastet. Doch ob die Investitionen zum Energiesparen nun wirklich deutlich in die Höhe gehen, bezweifelt auch er. "Vermieter gehen ganz erheblich in Vorleistung." Doch auch künftig können sie die Kosten für Modernisierungen jährlich mit elf Prozent auf die Miete abwälzen. Zahlt ein Eigentümer für die Sanierung 10.000 Euro, kann die Miete im Jahr um 1100 Euro steigen. Die SPD hatte hier eine Entlastung des Mieters auf neun Prozent gefordert. Doch Stüven verweist auf eine Studie, herausgegeben vom Bauministerium: "Nur in etwa einem Fünftel der Modernisierungsfälle nutzten die privaten Vermieter die elfprozentige Modernisierungsumlage, um Kosten auf Mieter umzulegen."

Kampf gegen "Mietnomaden": Wer von Wohnung zu Wohnung zieht und keine Miete zahlt, bis er rausfliegt, ist ein "Mietnomade". Die schwarz-gelbe Regierung will unter anderem Zwangsräumungen erleichtern, um Mietbetrug zu bekämpfen. Auch bei Verzug der Kautionszahlung kann künftig - wie bei Verzug der Mietzahlung - eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung ausgesprochen werden. Die Neuerung soll vor allem Kleinvermieter besser schützen, die laut Koalition 60 Prozent der Vermieter am Markt ausmachen.

Durch die künftig bundesweit geltende "Berliner Räumung" muss der Mieter bei Zahlungsverzug ausziehen, seine Möbel bleiben aber in der Wohnung. Der Vermieter kann sie versteigern, um die Mietschuld zu begleichen. Eckard Pahlke, der Vorsitzende des Hamburger Mietervereins, hat für das neue Gesetz schon einen Namen: "Mietverschlechterungsgesetz". Genauso wie die Grünen sieht er auch normale Mieter gefährdet. Fraktionschefin Künast sagte, die Abmahnung des Mieters durch den Vermieter als ersten Schritt vor der Räumung müsse Bestandteil des Mietrechts bleiben.

Wie groß das Problem des "Mietnomadentums" wirklich ist, darüber sagt der Gesetzentwurf nichts. Für Eigentümer-Vertreter Stüven ist die Sache aber klar: "Wenn jemand seine Handyrechnung nicht bezahlt, wird ja auch das Telefon abgeschaltet."