In Zwischenbericht zur Aufklärung der Neonazi-Morde fordert das Gremium viel engere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden.

Berlin. Zwei Gremien sind auf Bundesebene mit der Aufarbeitung der Neonazi-Morde der Terrorzelle NSU beschäftigt. Aus dem einen, dem Untersuchungsausschuss des Bundestags, drängen stets neue Details, neue Interpretationen und neue Debatten über das strukturelle Versagen der Sicherheitsbehörden an die Öffentlichkeit. Das andere Gremium, die im Februar eingesetzte Bund-Länder-Kommission, arbeitet im Stillen. Für die Innenministerkonferenz Anfang Dezember werden die Experten nun einen Zwischenbericht vorlegen. Die Kommission wird Gesetzesänderungen fordern und nicht nur die Arbeit der Verfassungsschutzbehörden kritisch analysieren. Auch die Landeskriminalämter werden sich kritische Worte gefallen lassen müssen.

Der Kommission gehören der frühere Hamburger Innensenator und Verfassungsschutzchef Heino Vahldieck (CDU), der frühere Innenminister von Rheinland-Pfalz, Karl Peter Bruch (SPD), der Münchner Rechtsanwalt und Strafrechtsexperte Eckhart Müller (auf Vorschlag der FDP) und der frühere Bundesanwalt am Bundesgerichtshof Bruno Jost (auf Vorschlag der Grünen) an. Ihre Aufgabe war von Beginn an klar definiert: Sie sollen Ideen für eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden entwickeln.

Im Gespräch mit der "Welt" kündigte Kommissionsmitglied Vahldieck gewichtige Reformvorschläge an: "Es wird darum gehen, klare Informationspflichten einzuführen und so die Kommunikation zwischen den Behörden zu verbessern. Wir werden Vorschläge für Gesetzesänderungen unterbreiten." Man habe einige Probleme bei den Schnittstellen der behördlichen Zusammenarbeit identifiziert. Daraus müssten Lehren gezogen werden, und dafür werden wir Vorschläge unterbreiten", so der Ex-Innensenator.

Womöglich löst der Zwischenbericht eine intensive Diskussion über das Verhalten der Landeskriminalämter aus. Denn Vahldieck sagt auch: "Es gibt Fehlleistungen zu beklagen, aber beileibe nicht nur bei den Verfassungsschutzämtern." Die einseitige Fokussierung auf den Verfassungsschutz werde der Dimension des NSU-Skandals nicht gerecht. "Als längst bekannt war, dass es sich um eine Mordserie mit derselben Waffe handelt, haben die verschiedenen Landeskriminalämter ohne einheitliche Führung ermittelt - insbesondere ohne die Anleitung durch den Generalbundesanwalt", kritisiert er. "Es verwundert, dass es zu keinem Zeitpunkt eine Zusammenarbeit gab."

Mehr als ein Jahr ist inzwischen vergangen, seit sich die mutmaßlichen Neonazi-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Thüringen erschossen und ihre mutmaßliche Komplizin Beate Zschäpe sich der Polizei stellte. Es werden offensichtlich noch Jahre vergehen, bis die Aufarbeitung abgeschlossen ist und - was schwerer wiegt - Konsequenzen gezogen sind.

Es gebe auch Punkte, bei denen die Vierergruppe noch nicht abschließend zu einer Meinung gekommen sei, gibt Vahldieck zu. Noch hat die Kommission Zeit. Entscheidend wird der Abschlussbericht sein, der zur Frühjahrs-Innenministerkonferenz fertiggestellt sein soll. "Wir wollten früher fertig werden, aber Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit", sagt der CDU-Mann.

Schlagzeilen gab es in den Monaten der Stille nur einmal, als der frühere Berliner Innensenator Ehrhart Körting(SPD) im September das Gremium verließ. In seiner Erklärung hieß es, er habe die Aufgabe im Februar übernommen, als eine Verwicklung Berlins in die NSU-Mordserie nicht erkennbar gewesen sei. Um jeden Anschein einer Befangenheit zu vermeiden, stehe er ab sofort nicht mehr zu Verfügung. Zuvor war bekannt geworden, dass ein V-Mann des Berliner Landeskriminalamtes der Behörde bereits 2002 Hinweise zu dem gesuchten Terrortrio gegeben hatte. Körthing versicherte zwar, dass er mit dem Vorgang zu seiner Amtszeit als Senator nach seiner "sicheren Erinnerung" nicht befasst war, aber die Kommission durfte auf keinen Fall Ziel von Spekulationen und Misstrauen werden.

Wie ernst werden Bundesregierung und Bundesländer die Expertenvorschläge nehmen? Den Ankündigungen des Innenministers Hans-Peter Friedrich (CSU) zufolge sollen alle Impulse von Untersuchungsausschuss und Kommission "selbstverständlich umgehend" geprüft werden und "in die Arbeit einfließen". So hatte es Friedrich anlässlich des Jahrestags der Aufdeckung der Mordserie versprochen. Nur zu radikal sollen die Vorschläge auch nicht werden. Friedrich will eine Bewertung von Polizei und Verfassungsschutz "mit Augenmaß". So, wie die Behörden jetzt zusammenarbeiten, kann es nach Ansicht der Kommission aber auf keinen Fall nicht weitergehen.