Landeschefin Homburger und Ex-Wirtschaftsminister Döring gaben alles, doch am Ende wurde ein anderer Spitzenkandidat für die Bundestagswahl.

Villingen-Schwenningen. Er hatte wohl selbst nicht damit gerechnet: Dirk Niebel, nicht ganz unumstrittener Entwicklungsminister in Berlin, soll die Südwest-FDP als Zugpferd in den Bundestagswahlkampf 2013 führen. „Ich mache das im Moment noch mit gemischten Gefühlen“, gesteht der 49-Jährige am Samstag nach einem turbulenten Parteitag in Villingen-Schwenningen. Als Bundesminister hat Niebel viele Verpflichtungen in Deutschland und weltweit. Für seine neue Aufgabe im Stammland der Liberalen muss er erst einmal Zeit in seinem Terminkalender freischaufeln.

Dabei hatten die Liberalen die Kandidaten für die Landesliste sorgfältig ausgekungelt. Den ersten Platz beanspruchte Landeschefin Birgit Homburger für sich. Doch seit Wochen rumorte es in der Partei. Von einer diffusen Unzufriedenheit mit der 47-Jährigen, die seit 22 Jahren im Bundestag sitzt, war die Rede. Homburger sei zwar fleißig, aber sie sei keine „Rampensau“, wie es für einen Bundestagswahlkampf, in der es für die FDP ums Überleben geht, vielleicht nötig sei. Es kamen Gerüchte hoch, Ex-Wirtschaftsminister Walter Döring könnte gegen Homburger antreten. Der ehemalige FDP-Landeschef dementierte wiederholt – am Freitag dann die Überraschung: Er tritt doch an.

Am Samstag läuft alles auf einen Showdown hinaus. Der Charismatiker Döring reißt in einer emotionalen Rede viele Delegierte mit. „Es zerreißt mich, wenn ich an den Zustand unserer Partei denke“, ruft er. Der 58-Jährige holt gegen die CDU, gegen den designierten SPD-Kanzerkandidaten Peer Steinbrück („schnoddrig, rotzig, eitel, arrogant“) und gegen die eigene Partei aus. „Es ist halt nicht alles in Butter“, wettert Döring, dessen Worte mehrfach in tosenden Applaus untergehen. Dörings unrühmlichen Abgang und den Scherbenhaufen, den er der FDP hinterließ – 2004 stürzte er im Zuge der FlowTex-Affäre – scheinen da viele Delegierte verdrängt zu haben.

Homburger, die Döring rhetorisch klar unterlegen ist, führt ihre Seriosität, Kompetenz und „unbändige Energie“ für sich ins Feld. „Mit mir bekommen Sie eine Spitzenkandidatin, die für die liberale Sache brennt und mit offenem Visier kämpft. Auf mein Wort ist Verlass!“ Vollen Einsatz verspricht sie den Delegierten und schließt ihre Rede mit den Worten: „Kämpfen kann ich!“

Es folgt eine Aussprache über Homburger und Döring, die manche als Schlammschlacht bezeichnen: Döring werden Putsch und Komplott vorgeworfen. Ex-FDP-Landeschef Roland Kohn wettert gegen Döring: „Wenn es etwas gibt, was Dir abgeht, dann ist es Teamfähigkeit.“ Ute Oettinger-Griese, FDP-Bezirksvorsitzende Franken, fragt: „Warum kommst Du wie Kai aus der Kiste und scheust die Auseinandersetzung in Deinem Bezirk?“ Lange habe er sich nicht in die FDP eingebracht. „Du warst immer nur da, wenn das Blitzlichtgewitter sicher war!“

Dagegen werfen Dörings Anhänger der FDP-Spitze um Homburger vor, trotz der desolaten Lage der Partei einfach so weiter zu machen wie bisher. Es bleibt das Bild einer zerstrittenen und verdrossenen Südwest-FDP hängen.

Vielen ist klar: Der Gewinner der Kampfkandidatur wäre beschädigt. Homburger stellt fest: „Ich bin entsetzt, wie die Debatte hier gelaufen ist.“ Homburger greift die Worte von Döring auf, der beteuert hatte, er wolle nicht antreten, wenn Niebel auf die Eins ginge. „Ich wäre bereit, auf Platz zwei zu gehen“, bietet Homburger an. Döring zieht seine Kandidatur zurück.

Ein sichtlich perplexer Niebel tritt ans Rednerpult. „Sie sehen mich ähnlich überrascht, wie Sie selbst es sind.“ Homburger landet mit einem eher schwachen Ergebnis auf dem zweiten Platz der Liste.

Mit ihrem Überraschungscoup führt sie die Partei zwar aus der aktuellen Zerreißprobe. Viele fragen sich aber, wie es mit ihr als Landeschefin weitergeht – Vorstandswahlen stehen im kommenden Frühsommer an. Bereits 2011 konnte Homburger ihren Posten nur knapp behaupten. Die Unzufriedenheit der Südwest-FDP mit Homburger und der Wunsch nach einem „Heilsbringer“, der die Partei aus der Krise führt, ist an diesem Wochenende wieder offen zutage getreten.