Regierung muss Sicherungsverwahrung nach Maßgabe des Verfassungsgerichts neu regeln. Gesetz soll gerichtsfest sein.

Berlin. Die Bundesländer setzen die schwarz-gelbe Regierung bei der Reform der Sicherungsverwahrung unter Druck. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sieht ihr Gesetz, das am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden sollte, zwar nach eigenem Bekunden auf gutem Weg. Doch die Länder haben weiter Bedenken. Bis spätestens 31. Mai 2013 muss nach Vorgabe der Verfassungsrichter eine Neuregelung stehen.

Streitpunkt ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung. Straftäter, die erst nach dem Urteil psychische Auffälligkeiten zeigen, können dem Entwurf zufolge nicht rückwirkend in Sicherungsverwahrung genommen werden.

Die Ministerin betonte am Donnerstag, ihr Konzept schaffe Rechtssicherheit auch im Hinblick auf mögliche Verfahren beim Bundesverfassungsgericht. „Die Reform der Sicherungsverwahrung ist Ausdruck einer Gesetzgebung, die Sicherheit unter rechtsstaatlichem Vorzeichen garantiert“, so die FDP-Politikerin in einer Mitteilung. Sie gebe Richtern stärker die Möglichkeit, sich die Entscheidung vorzubehalten, ob jemand im Anschluss an die Haft in Sicherungsverwahrung komme.

„Ob der Täter tatsächlich in Sicherungsverwahrung kommt, entscheidet sich in diesem Fall am Ende der Strafhaft“, betonte die Ministerin. „Das wird den Druck auf den Täter erhöhen, an Therapien teilzunehmen.“ Sie gehe davon aus, dass ihr Gesetzentwurf nach der Verabschiedung auch zügig den Bundesrat passiere. „Gestern im Rechtsausschuss hat die SPD sich enthalten, ich halte das für ein gutes Zeichen“, sagte die FDP-Politikerin im ARD-„Morgenmagazin“. Zustimmungspflichtig durch den Bundesrat ist das Gesetzesvorhaben zwar nicht. Wenn die Länder den Vermittlungsausschuss anrufen, droht dennoch Verzug.

Der Vorsitzende der Justizministerkonferenz, Hessens Ressortchef Jörg-Uwe Hahn (FDP), rechnet ebenfalls mit einer problemlosen Verabschiedung des Gesetzes im Bundesrat. Die Lösung ohne nachträgliche Sicherungsverwahrung sei Beschluss des Bundeskabinetts, sie werde vom Bundestag getragen. Es gebe keine Anzeichen, dass CDU-geführte Länder in der Länderkammer den Vermittlungsausschuss anrufen wollten.

Die SPD-Bundestagsfraktion spricht derweil von „unzulänglichem Schutz der Bevölkerung“. Gegenwind droht dem Entwurf aber nicht nur von der Opposition. Für die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) geht das neue Gesetz nicht weit genug. „Mit der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung werden die Schutzlücken gerade nicht geschlossen“, sagte sie laut Mitteilung. Das Bundesverfassungsgericht lasse dem Gesetzgeber durchaus Möglichkeiten, die man zum Schutz der Menschen ausschöpfen müsse.

Auch Nordrhein-Westfalens Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) sieht eine gravierende Lücke im Entwurf. Dieser ignoriere die Forderungen der Justizministerkonferenz und des Bundesrats. Kutschaty zufolge wird die nachträgliche Therapieunterbringung über alle parteipolitischen Grenzen hinweg verlangt.

Nach Meinung der Justizministerin Sachsen-Anhalts, Angela Kolb (SPD), birgt das Gesetzesvorhaben die Gefahr, dass vereinzelt gefährliche Gewalt- und Sexualstraftäter in Freiheit entlassen werden müssen.

Mecklenburg-Vorpommerns Uta-Maria Kuder (CDU) unterstützt den Entwurf zwar grundsätzlich. „Darüber hinaus halte ich es aber für notwendig, psychisch gestörte und hochgradig gefährliche Straftäter zum Schutz der Allgemeinheit auch nach Ende der Strafhaft unterbringen zu können, wenn sich Gefährlichkeit und Störung erst nach dem Urteil herausstellen“, sagte sie.

Hamburgs Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) will sich im Falle einer unveränderten Verabschiedung des Gesetzentwurfs für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses einsetzen. „Die berechtigten Sorgen der Bürgerinnen und Bürger werden in dem Gesetzentwurf nicht hinreichend ernst genommen“, sagte sie.

Leutheusser-Schnarrenberger versucht derweil, die Befürchtungen über eine verfrühte Entlassung von Gewalttätern zu zerstreuen. „Die Ausweitung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung wird genau dort greifen, wo bislang die unpraktikable nachträgliche Sicherungsverwahrung eigentlich greifen sollte“, erklärte sie. „Niemand soll freigelassen werden müssen, nur weil er nicht therapiert werden will oder therapiert werden kann.“