Hamburger Verband erklärt, warum er Peer Steinbrück für einen Vortrag gebucht hat. Der Kanzlerkandidat legte alle Honorare offen.

Berlin. Peer Steinbrück macht schnell klar, was die Veröffentlichung seiner Nebenjobs und Honorare nicht sein soll: ein Einknicken vor den Kritikern oder gar ein Kotau vor Presse und Öffentlichkeit. Nein, der designierte SPD-Kanzlerkandidat ist an diesem Morgen nicht ins Willy-Brandt-Haus gekommen, um Fehler einzugestehen, sondern mit einer Botschaft und hoch erhobenen Hauptes. Steinbrück lässt keinen Zweifel daran, dass er die Angelegenheit genauso versteht - und auch genauso von anderen verstanden wissen will. Er betont immer wieder: "Ich gehe damit weit über die bisherigen Transparenzregeln hinaus."

1,25 Millionen Euro hat Steinbrück in den vergangenen drei Jahren mit 89 Vorträgen eingenommen. Bei 74 davon gab es das "Standardhonorar" von 15 000 Euro, in den anderen Fällen lag es entweder darüber oder darunter. Steinbrück hat extra eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt, um all das zusammenzusammeln und dafür seine persönlichen Jahreskalender und Organizer zur Verfügung gestellt sowie Unterlagen aus seinem Büro und von seinem Steuerberater, wie er sagt. Auf 18 Seiten sind nun alle Honorarvorträge aufgelistet, mit Datum, Auftraggeber, Veranstalter, Vortragsthema und - natürlich - die Bezahlung "auf Euro und Cent" inklusive eventueller Spesen für Anreise oder Hotels.

Das höchste Honorar erhielt Steinbrück nach dem Bericht, der auch im Internet einsehbar ist, mit 25 000 Euro bei einer Veranstaltung der Stadtwerke Bochum, gefolgt von 20 000 Euro bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall und 18 000 Euro bei der DZ Bank. In Hamburg hielt Steinbrück acht bezahlte Vorträge, zuletzt am 30. August bei der Deutschen Bank. Die Einnahmen aus allen Auftritten habe er mit 48 Prozent versteuert. Netto habe er mit den Vorträgen im Durchschnitt so 7300 Euro verdient, sagt Steinbrück. Zudem habe er 237 Reden gratis gehalten, vor allem an Schulen oder Universitäten. In vielen Fällen habe er dabei um Spenden für karitative Zwecke gebeten, die sich nach seinen Angaben auf 60 000 Euro belaufen.

Seit seiner Nominierung als Kanzlerkandidat hat er kein Geld mehr für Reden verlangt, auch das stellt Steinbrück klar. "Ich habe Honorarverträge in einer Zeit angenommen, als weder die SPD noch ich eine Idee davon hatten, dass ich wieder in den politischen Ring steige", sagt er - und hat vor allem zwei Botschaften, die er an diesem Tag noch loswerden will. Zum einen in Richtung all jener Kritiker aus den Regierungsparteien: Es sei ein "absurder Verdacht, dass ich in eine Abhängigkeit hätte geraten können". Politische Kontrahenten wollten hier Zweifel an seiner Integrität säen. Diese Anschuldigungen kämen aber ausgerechnet von Parteien, die sich sogar weigerten, die Bestechung von Abgeordneten strafbar zu machen.

Die andere Botschaft: Für Steinbrück ist es durchaus okay, auch als Sozialdemokrat Einkommensmillionär zu sein. Er verstehe nicht, warum für einen SPD-Politiker andere Maßstäbe gelten sollten als für Politiker anderer Parteien oder andere Personen des öffentlichen Lebens. Auch er kenne Zeiten, in denen er nur 1000 Euro verdient habe und sogar arbeitslos gewesen sei. Neben seinem Bundestagsmandat für Vortragsreisen unterwegs gewesen zu sein, findet er ebenfalls nicht verwerflich. "Es ist die Aufgabe eines Politikers zu erklären. Das beste Handwerkszeug, das er hat, ist seine Rhetorik", sagt er. Anders sieht es Gregor Hackmack vom Internetportal Abgeordnetenwatch: "Wer 89 hoch bezahlte Reden hält und in der gleichen Zeit nur fünf Reden im Bundestag, hat sein Abgeordnetenmandat vernachlässigt."

Steinbrück betont zudem, er habe seine Reden weder durch sein Abgeordnetenbüro schreiben lassen, noch den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages in Anspruch genommen. Es seien "meist handschriftliche Notizen" gewesen, die er als Grundlage für seine Vorträge verwendet habe. Einen Fehler muss Steinbrück aber doch einräumen. Zwei Vorträge hat er nicht ordnungsgemäß beim Bundestag angemeldet. Der Grund: "Ich habe es einfach verschwitzt."

Zwar dominieren auf Steinbrücks Honorarliste Unternehmen der Finanzbranche - allerdings finden sich auch Firmen aus völlig fachfremden Bereichen. So sprach der SPD-Politiker für ein Institut für Softwaresystemtechnik, bei den "Küchen-Kompetenz-Tagen" einer Möbelmarketinggesellschaft oder beim Arbeitgeberverband Chemie. Steinbrück selbst erklärt sich das mit "der Neugier derjenigen, die mich zu politischen Themen fragen wollten". Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen, der Steinbrück im Juni 2011 für eine Rede gebucht hatte, nannte die Qualitäten des früheren Finanzministers als Grund. "Für uns zählt die Leistung eines Redners", sagte Verbandssprecher Peter Hitpaß dem Abendblatt. "Für Menschen, die viel investieren, die Wohnungen bauen, ist es wichtig zu wissen, wie ein Mann wie Steinbrück beispielsweise die Lage in Griechenland einschätzt."

Steinbrück habe 60 Minuten geredet "ohne Punkt und Komma und ohne Manuskript". Die Unternehmer würden beim Verbandstag einen prominenten Redner erwarten, der den Blick über den Tellerrand hinauswerfe. "Der Mann war jeden Dollar wert", sagte Hitpaß. Laut Liste hat Steinbrück 10 000 Euro für den Vortrag erhalten.

Andere Auftraggeber von Rednern sagten dem Abendblatt, Politiker seien durch die Honorare im niedrigen fünfstelligen Bereich nicht korrumpierbar. Meistens wollten sie selbst vor prominentem Publikum den Blick auf ein neues Buch oder ein Projekt lenken. Wie Vertreter aus der Versicherungs- und Finanzbranche sagten, nähmen beispielsweise aktive Bundesminister oft auch gar kein Honorar. Vom früheren Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof ist bekannt, dass er ebenfalls Honorare ablehnte. Ihm ist daran gelegen, für sein Konzept der Steuervereinfachung zu werben.

Dennoch sagen Bankenvertreter, dass sie es sinnvoll fänden, wenn Politiker nach dem Ausscheiden aus Parlament oder Regierung zwei Jahre warten, ehe sie zu Unternehmen wechseln. So könne der Eindruck verhindert werden, dass sie schon während der Amtszeit beeinflussbar waren.