Kiels Ministerpräsident übt sich in Kopenhagen auf internationalem Parkett. Albig ist in der ersten Reihe der Politik angekommen.

Kopenhagen. Frau Staatsministerin strahlte mit der Sonne um die Wette. "Die Zusammenarbeit zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein ist ausgezeichnet", sagte Helle Thorning Schmidt. "Und es ist gut, einen Parteifreund an der Seite zu haben." Die dänische Ministerpräsidentin krönte trotz einer argen Verstimmung innerhalb ihrer Regierungskoalition den Antrittsbesuch von Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) in Kopenhagen. Die Gespräche mit Dänemarks Regierungschefin hätten auf Augenhöhe stattgefunden, sagte Albig. "Das ist für den Vertreter eines Bundeslandes nicht selbstverständlich."

Was die Dänen planen, will Albig liefern: Zustimmung zum Milliardenprojekt Fehmarnbelt-Tunnel und einen Ausbau der Anbindung von Fehmarn auf das deutsche Festland. Was die dänische Minderheit im Norden betrifft, hat er bereits geliefert. Die Schulen werden wieder besser gefördert - und mit Anke Spoorendonk sitzt eine Vertreterin des SSW mit am Kabinettstisch.

Albig ist angekommen in der ersten Reihe der deutschen Politik. Und er hat dabei einen erstaunlichen Karriereweg zurückgelegt. Er führte ihn bis in eines der höchsten Politikerämter. Die zweite Reihe der Einflüsterer und grauen Strippenzieher hat er erfolgreich hinter sich gelassen. Wie früher ein Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier für Gerhard Schröder war auch Albig lange ein "Mach mal" für die Spitzen-Leute.

Jurist für Steuer- und Wirtschaftsrecht, Planungsstab in der SPD-Zentrale, Leiter der Kommunikation im Bundesfinanzministerium: Stationen eines Stehers. Und ein "Erklärbär" war er schon immer. Einer, der als Pressesprecher Medien und Öffentlichkeit durch den Dschungel von Steuerrecht und Finanzwelt lotste. Das ging selten ohne einen Slogan, ohne eine griffige Botschaft, die sich auch in Häppchen verkaufen lässt. Knurrig werden kann er aber auch. Das hat ihn der Umgang mit Alphatieren wie Oskar Lafontaine und Peer Steinbrück gelehrt. Beiden diente er als Sprecher, dazwischen auch Hans Eichel, dem zum Sparen wild entschlossenen Finanzminister, dem die Verschuldung dann doch entglitt.

Vom Finanzministeriumssprecher Albig ist bekannt, dass er barsch reagieren konnte. "Das war nicht meine Frage", hatte sich mal jemand mit Albigs Worten unzufrieden gezeigt. Albig blaffte: "Aber das war meine Antwort." Bei seiner dreitägigen Kopenhagen-Tour gab er dagegen den smarten Regierungschef eines Bundeslandes im wirtschaftlichen Aufwind. Doch er ist - noch? - kein Landesvater wie Peter Harry Carstensen, nicht so bissig wie bisweilen Heide Simonis, kein Staatsmann à la Engholm. Und über die Landesvergangenheit mit Ministerpräsidenten, die Uwe Barschel und Gerhard Stoltenberg hießen, ist längst der filzdicke Mantel der Geschichte geweht.

Albig ist der moderne Jobhopper, der unerwartetste aller denkbaren Ministerpräsidenten des Landes zwischen den Meeren. Seit dem Abschluss seines Studiums wechselte er alle paar Jahre die berufliche Position und den Standort. Aus der Kieler Steuerverwaltung nach Bonn in die Landesvertretung, dann in die Planungsstäbe in SPD und Bundesfinanzministerium. Ein Abstecher zur Dresdner Bank in Frankfurt, dann wieder Kiel: Kämmerer und Dezernent für Abfallwirtschaft und Kultur. "Gedöns" hätte Kanzler Gerhard Schröder dazu gesagt, der ein wirtschaftsnaher Pragmatiker wie Albig selbst war.

Der nassforsche Sozialdemokrat Steinbrück, dessen jetzige Kanzlerkandidatur Albig unterstützte, lockte den Glatzkopf kurzzeitig wieder nach Berlin in die Große Koalition als sein Sprachrohr. Als die SPD 2009 die Bundestagswahl verlor, eroberte Albig das Kieler Rathaus und schickte CDU-Vorgängerbürgermeisterin Angelika Volquartz in Pension. Er werde den schönsten Job der Welt für die nächsten sechs Jahre haben, verkündete er da.

Es wurden nicht mal drei. Kühl lächelnd und umarmend, so, wie Albig den linken Nebenbuhler Ralf Stegner in der Landes-SPD ausbootete, verabschiedete er mit einem knappen Wahlergebnis in diesem Mai auch Carstensen als Vorgänger im Ministerpräsidentenamt. Peter Harry, wie man an der Förde sagt, habe Großes geleistet. Danke und tschüs. So kurz und knapp band Albig auch seine Dreierkoalition aus SPD, Grünen und SSW zusammen. "Tolle Arbeit" machen alle, vor allem die Grünen und ihr ehrgeiziger Ministerneuling Robert Habeck. Und dass in Anke Spoorendonk eine Vertreterin der dänischen Minderheit im Kabinett sitze, das ist ja mindestens historisch. 1864 endete zuletzt der Einfluss der Dänen auf Schleswig-Holstein.

Anders als der Ministerpräsident bei seiner Kopenhagenreise glauben machen wollte, steht aber sein Regierungsbündnis nicht treu hinter dem geplanten Fehmarnbelt-Tunnel. Es gibt Bedenken wegen der Anbindung der Insel an Ostholstein, die aufwendig von einer zweispurigen Brücke mit einem Eisenbahnstrang auf vier Autostreifen und zwei Bahngleise ausgebaut werden müsste. Von ökologischen Bedenken und ungeklärten Finanzierungsfragen ganz zu schweigen. Auch der Rechnungshof hat vor galoppierenden Kosten des 5,5-Milliarden-Projekts gewarnt. Hier muss er noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Während die Dänen drängen und Albig den Baustart 2015 fest ins Auge fasst, ist seine Rhetorik pastoral. Von "gemeinsamem Wachstum" ist die Rede, von Begeisterung für ein europäisches Projekt, von großen Chancen für den Arbeitsmarkt und die Ausbildung von Fachkräften aus der Region. Albigs Tunnelblick soll auch die Kritiker besänftigen. "Wir können die Sorgen entkräften."

In Kopenhagen rauschte Albig von Termin zu Termin. Außenminister, Transportminister, Botschafter, Bauminister, Parlamentspräsident, Handelskammer, Arbeitgeberverband, Ministerpräsidentin, deutsche Volksgruppe. Wahrlich ein Rausch für den Neuen, immer in der Kolonne mit Staatskarossen, fünf Motorradpolizisten vorneweg. Die Hauptstadtstraßen werden gesperrt, als sauste mindestens Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon vorbei.

Und dazwischen: Amalienborg, Schloss der Königin Margrethe II. Das ist die mit den familiären Wurzeln in Schleswig-Holstein, die nach 40 Jahren auf dem Thron sich und der Welt nichts mehr beweisen muss. Die 28 Minuten Privataudienz bei ihr sind sein Ritterschlag in dieser Liga. Für einen 49-Jährigen mit abwechslungsreichem beruflichen Hintergrund ist das beachtlich. Nach dem Besuch im Schloss hat Albig zugegeben, dass der königliche Prunk ihn schon etwas beeindruckt habe. Er nannte sich selbst einen "kleinbürgerlichen Menschen".

Aber einer, der die Hallen der Macht kennenlernte, ehe er sie selbst allen voran durchschreiten durfte. Palast kommt für den Sozialdemokraten aber nicht infrage: "Heizen möchte ich da nicht."