Es kam wie erwartet: Weder reichte es in Hamburg für ein schwarz-gelbes noch für ein rot-grünes Bündnis. Gleichwohl waren vor der Wahl nur solche Konstellationen von den Parteien propagiert worden. Nun bietet sich eine Große Koalition ebenso an wie eine schwarz-grüne. Dabei hatten vor der Wahl die beiden großen Parteien ein gemeinsames Bündnis ebenso ausgeschlossen wie die Grünen eines mit der CDU. Die Öffentlichkeit hat nach der Wahl diesen irritierenden Sachverhalt kaum kritisch gewürdigt.

Zwar zieren sich die Grünen momentan noch, um nicht bei der eigenen Basis "machthungrig" zu erscheinen, doch werden sie die neue Option, die sich ihnen bietet, vermutlich nicht ausschlagen - Kohlekraftwerk hin, Elbvertiefung her.

Für die CDU und die Grünen hat eine solche Premiere beträchtlichen Charme. Die Zahl der Koalitionsoptionen erhöht sich für beide Parteien. Die Sozialdemokraten und die Liberalen dürften ein derartiges Unterfangen mit gemischten Gefühlen betrachten. Gewiss gibt es bei den Delegierten der Grünen (mehr als bei ihren Wählern) erhebliche Vorbehalte gegenüber der CDU, doch dürften sie mehrheitlich der machtpolitischen Versuchung nicht widerstehen.

Bei der CDU, zumal in Hamburg, sind die Widerstände gegenüber dem einstigen "Bürgerschreck" ohnehin geringer - im Gegenteil: Für die Partei ist eine solche Variante überaus günstig. Sie macht der SPD ihren Koalitionspartner abspenstig. Es gibt gewisse Schnittmengen, was etwa die Skepsis gegenüber Staatsgläubigkeit angeht, aber vor allem große Differenzen - nicht nur in der Bildungs- und Klimaschutzpolitik. Machtpolitisch fällt das wenig ins Gewicht.

Eine Große Koalition ist weder für die eine noch für die andere Partei sonderlich attraktiv, obwohl eine Zusammenarbeit gut funktionieren würde. Die CDU müsste ihre Macht stärker teilen, und die SPD wäre als Juniorpartner in keiner komfortablen Position. Allenfalls könnte sie ein solches Bündnis anstreben, um die Grünen nicht in die Regierungsverantwortung mit dem Gegenspieler zu bringen. Doch in ihrer Macht steht dies nicht.

Ein rot-grünes-dunkelrotes Bündnis scheidet aus. An der Glaubwürdigkeit Michael Naumanns war und ist nicht zu zweifeln, wiewohl Kurt Becks dilettantische Strategie ihm und der eigenen Partei geschadet hat: Der stark landespolitisch geführte Wahlkampf wurde zuletzt durch die Debatte um die "hessischen Verhältnisse" überlagert. Selbst bei 5,0 Prozent für die FDP wäre eine Ampel-Koalition - zum Leidwesen der Liberalen, keineswegs der CDU - rechnerisch nicht machbar gewesen.

Ein Menetekel für die Demokratie: Die Postkommunisten schnitten im stark bürgerlich geprägten Milieu Hamburgs besser als die Liberalen ab. Wären sie nicht in die Bürgerschaft gelangt, hätte Rot-Grün im Dreiparteienparlament eine Mehrheit gehabt.

Insofern, und das ist eine pikante Paradoxie, verdankt Ole von Beust sein Verbleiben im Amt der Linken. Eine weitere Paradoxie: Die beiden Wahlverlierer CDU und Grüne (zusammen: 7,3 Punkte) dürften eine Koalition bilden, nicht jedoch die drei Wahlsieger SPD, Linke und FDP (zusammen: 12,0 Punkte) gemessen am Abschneiden bei der letzten Wahl.

Geht von der Wahl in Hamburg ein bundespolitisches Signal aus? Zum einen könnte eine schwarz-grüne Koalition eine Art Probelauf für den Bund bedeuten. Zum anderen erlitt SPD-Parteichef Kurt Beck durch seine Andeutungen, in Hessen Andrea Ypsilanti von der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen, nicht nur persönlich einen schweren Rückschlag; er erwies auch der SPD einen Bärendienst. Seine Kanzlerkandidatur ist nicht mehr so sicher wie zuvor. Eine Lehre aus dem Ausgang keineswegs bloß der Hamburger Wahlen sollte sein: Parteien legen sich zwar auf eine Koalition fest, lassen aber zugleich erkennen, wem die zweite Präferenz gehört - für den Fall, dass die Wunschkoalition an der Arithmetik scheitert. So wird einerseits Blockierung vermieden und andererseits Wortbruch.