Die Union will im Streit um Steuersenkungen nun doch erst eine Verbesserung der Wirtschaftslage abwarten. Die SPD kritisiert Steuersenkungspläne der FDP.

Berlin. In der Union mehren sich Stimmen, mögliche Steuersenkungen von einer Besserung der Wirtschaftslage abhängig zu machen. „Wenn es wieder Wachstum gibt, ist die Zeit, Steuern zu senken“, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) dem „Handelsblatt“. CSU-Chef Horst Seehofer bekräftigte zwar das Ziel von Steuersenkungen, machte dies aber ebenfalls von der Wirtschaftslage abhängig.

Nach Angaben Oettingers werden die Unionsparteien kein konkretes Datum für Steuersenkungen in ihr Wahlprogramm aufnehmen. „Wir werden in Juni eine Aussage treffen, die so klug ist, sich nicht auf das Jahr festzulegen.“ Zunächst müsse die aktuelle Finanzkrise überwunden werden.

„Es wird auf jeden Fall so bald wie möglich zu weiteren Steuersenkungen kommen“, sagte Seehofer in München. Der Zeitpunkt dafür hänge davon ab, wie sich das Wirtschaftswachstum entwickle.

Demgegenüber forderte Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), rasch die Auswirkungen der kalten Progression zu mindern. Dies sei trotz der Belastungen der öffentlichen Haushalte durch die Wirtschaftskrise auch „zeitnah“ möglich, sagte Guttenberg in München. Auch eine Steuerstrukturreform dürfe nicht aus dem Blickfeld geraten.

Auch der Mittelstandskreis der Unionsfraktion rechnet nicht mehr mit raschen Steuersenkungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe Recht mit ihrer Vorgabe, dass die Politik zunächst einen Konsolidierungsweg gehen müsse, sagte der Vorsitzende des Mittelstandskreises, Michael Fuchs, im SWR. Erst nach der Bundestagswahl werde sich zeigen, ob im Haushalt noch Ausgaben gestrichen werden könnten, um das frei werdende Geld in „Steuersenkungen umzumünzen“.

Gleichwohl beharrte der CDU-Wirtschaftsrat auf Steuersenkungen. „Wahlprogramme können sich nicht auf den Horizont der Krise beschränken“, sagte der Präsident des Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, der „Sächsischen Zeitung“. Die „ungebührliche Steuerbelastung der Mittelschicht“ müsse „schon heute ins Visier“ genommen werden, ergänzte Lauk.

Nach Einschätzung der FDP hat die CSU im unionsinternen Streit um schnelle Steuerentlastungen kapituliert. „Horst Seehofer hat sich von Angela Merkel die Lederhosen ausziehen lassen“, sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel der „Frankfurter Rundschau“. Jetzt stehe „die CSU schon wieder ziemlich nackig vor dem Wähler“.

FDP-Chef Guido Westerwelle bekräftigte seine Kritik an der Steuerpolitik der CDU/CSU. „Die Union muss in der Steuerfrage und in der Koalitionsfrage endlich klar werden“, erklärte er in Berlin. „Die jüngsten Äußerungen der Union riechen nach großer Koalition.“ Dennoch wolle die FDP gemeinsam mit der Union regieren. „Und deswegen erwarten wir, dass die Union sich noch vor der Bundestagswahl zu dem schwarz-gelben Vorhaben einer echten Steuerreform bekennt.“

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) bezeichnete derweil die Steuersenkungspläne der FDP als „grotesk“. Wenn die FDP die steigende Verschuldung der öffentlichen Haushalte kritisiere und zugleich zweistellige Steuerausfälle durch Steuersenkungen in Kauf nehme, so zeige dies, dass ihr für die Regierungsverantwortung die „erforderliche Reife“ fehle, sagte Steinbrück der „Thüringer Allgemeinen“.

Auch Ifo-Chef Hans-Werner Sinn hält Steuersenkungen, wie sie Union und FDP den Bürgern in Aussicht stellen, für unrealistisch. Infolge der Krise seien nicht Entlastungen, sondern vielmehr Steuererhöhungen nötig, sagte Sinn der in Berlin erscheinenden Tageszeitung „Welt“ vom Montag. Um die Staatsschulden bezahlen zu können, „werden wir die Steuern erhöhen und die Staatsausgaben im Sozialbereich reduzieren müssen“, sagte der Ökonom.