Nach dem Rücktritt Fromms bleiben Fragen: Wie konnten kurz nach dem Auffliegen der Neonazi-Mörder Akten dazu geschreddert werden?

Berlin. Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm geht . Aber bohrende Fragen zu den Pannen bei der Verfolgung der Zwickauer Terrorzelle bleiben. Fromms persönliche Integrität beim Kampf gegen Rechtsextremismus zieht auch die Opposition nicht in Zweifel. Doch es hilft nichts. Ungeklärt ist vor allem: Warum wurden die Akten zu den vom Bundesamt für Verfassungsschutz als V-Leute angeworbenen Thüringer Neonazis vernichtet?

Eine erste Darstellung Fromms dazu gibt keine Antwort. Er erläutert darin, dass das Bundesamt bei der „Operation Rennsteig“ zur Unterwanderung der Neonazi-Szene selbst acht V-Leute anwarb. „Konkret vernichtet wurden (am 11. November 2011) insgesamt sieben Akten: eine Werbungsakte zu VM Tinte sowie sechs VM-Führungsakten zu den VM Tusche, Tonfarbe, Treppe, Tobago, Tarif und Tacho.“

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Drei Tage vorher hatte sich Beate Zschäpe, die Frau im Terrortrio, der Polizei gestellt. Der zuständige Beamte habe, so Fromm, die Akten vernichten lassen, wobei das entsprechende Formular keine Datumsangaben trug. Aus Fromms Schreiben geht hervor, dass es zunächst weitere Recherchen im Amt bedurfte, um herauszufinden, dass die Akten tatsächlich am 11. November und nicht etwa schon lange vorher vernichtet wurden.

Von Tinte bis Tacho – bei der Benennung seiner V-Leute zeigte sich der Verfassungsschutz einfallsreich. Das wird bei der Lektüre von Fromms Darstellung deutlich. Klarheit in eigener Sache zu schaffen, fällt dem Amt schwerer. „Die vernichteten Akten können voraussichtlich nicht mehr in vollem Umfang rekonstruiert werden.“ Der überwiegende Teil des mit dem Einsatz der V-Leute zusammenhängenden Meldeaufkommens könne aber nachvollzogen werden.

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Vom Rückzug des Chefs ist man im Bundesamt am Montag überrascht. „Das ist eigentlich nicht vorstellbar“, heißt es zunächst. Der Verfassungsschutzpräsident sah zwar sein Amt durch die Aktenvernichtung gravierend beschädigt, aber von persönlichen Konsequenzen war zunächst nicht die Rede. In hohen Sicherheitskreisen heißt es hingegen rasch, der Schritt sei wohl unvermeidlich gewesen. Auch wenn das Bundesamt und der zuständige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) betonen, der 63-Jährige habe im Einklang mit dem Bundesbeamtengesetz nur um eine Versetzung in den Ruhestand gebeten.

„Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz war, wie er mitteilte, selbst über das Fehlverhalten von Mitarbeitern in seiner Behörde überrascht und erschüttert“, sagt Friedrich. Auch der Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD), zollt Fromm Respekt: „Ich halte die Entscheidung für respektabel.“

Doch über den „Skandal“ der Aktenvernichtung müsse es jetzt weiter Aufklärung geben – auch mittels des maßgeblichen Beamten als Zeugen im Ausschuss. „Bei viel Wohlwollen kann man von grober Fahrlässigkeit sprechen“, sagt Edathy. Er zeigt sich ärgerlich, dass die Aufklärung der Parlamentarier leide.

Schnell macht der Name eines möglichen Fromm-Nachfolgers die Runde: Alexander Eisvogel. Doch der 46-Jährige, so heißt es in Berlin sogleich auch, ist als bisheriger Vizepräsident des Bundesamts für Verfassungsschutz auch für die Aufklärung rund um die Neonazi-Morde verantwortlich – und somit womöglich auch für die bisherigen Fehler.

mit Material von dpa