Neue Erkenntnisse im Fall des Terror-Trios aus der rechten Szene: Die Waffe, mit der Rechtsextreme in Deutschland vermutlich mindestens zehn Menschen getötet haben, stammt offenbar aus der Schweiz.

Zürich. Neue Erkenntnisse im Fall des Terror-Trios aus der rechten Szene: Die Waffe, mit der Rechtsextreme bei den sogenannten Döner-Morden in Deutschland vermutlich mindestens zehn Menschen getötet haben, stammt offenbar aus der Schweiz. Einen entsprechenden Bericht des „Tages-Anzeigers“ aus Zürich (Montag) bestätigte Danièle Bersier, Pressesprecher des Bundesamts für Polizei in Bern. Es handele sich um eine Pistole des Typs Ceska 83, Kaliber 7,65 Millimeter, die der tschechische Hersteller ausschließlich in den Kanton Solothurn geliefert habe, berichtet die Zeitung. Von der speziellen Serie existierten nur 24 Stück.

Eine der Waffen sei bei den sogenannten Döner-Morden eingesetzt worden. Dies hätten die Ermittler des deutschen Bundeskriminalamts bereits vor über eineinhalb Jahren herausgefunden und die Schweizer Behörden um Hilfe ersucht. Dort hätten Polizisten daraufhin landesweit untersucht, wohin die 24 Ceska-Pistolen gelangt waren. „Es wurden Abklärungen über den Verbleib bei allen Waffengeschäften in der Schweiz angestellt“, sagte Bersier der Zeitung. Doch die Suche habe keine verwertbaren Ergebnisse erbracht.

Angesichts der jüngsten Ermittlungen in Deutschland könne es erneut zu Untersuchungen in der Schweiz kommen, berichtet der „Tages-Anzeiger“ weiter. Es sei zumindest denkbar, dass die Neonazis auch Unterstützung von Gleichgesinnten aus der Schweiz erhalten haben. Schweizerische Rechtsextreme pflegten seit Jahren Kontakte nach Ostdeutschland, berichtet die Zeitung.

Die vergleichsweise lockere schweizerische Waffengesetzgebung hat immer wieder dazu geführt, dass bei Verbrechen im Ausland Waffen aus der Schweiz eingesetzt wurden. So ermordete die Rote-Armee-Fraktion Generalbundesanwalt Siegfried Buback 1977 mit einem Schnellfeuergewehr aus dem Kanton Luzern.

Haftbefehl gegen Beate Z. erlassen

Am Sonntag hatte der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) Haftbefehl gegen die 36-jährige Beate Z. wegen des dringenden Verdachts der Mitgliedschaft in der NS erlassen. Damit gab der BGH-Richter einem Antrag der Bundesanwaltschaft statt, wie die Strafverfolgungsbehörde am Sonntagabend in Karlsruhe mitteilte.

Die als "Brandstifterin von Zwickau“ bekannte Beate Z. soll 1998 gemeinsam mit den am 4. November 2011 nahe Eisenach tot aufgefundenen Uwe B. und Uwe M. eine rechtsextremistische Gruppierung gegründet haben, die sich zuletzt als NSU bezeichnet habe. Das Haus in Zwickau, in dem Uwe B. und Uwe M. mit Beate Z. lebten, wurde am 4. November bei einer Detonation zerstört. Die Frau soll die Wohnung in Brand gesetzt haben, "um Beweismittel zu vernichten“.

Nach den bisherigen Erkenntnissen sei die NSU für die sogenannten Döner-Morde an acht türkischstämmigen Männern und einem Griechen in den Jahren 2000 bis 2006 und dem Mord an der Heilbronner Polizistin Michèle K. im April 2007 verantwortlich. Die Döner-Mordserie an insgesamt neun ausländischen Ladenbesitzern geschah in Nürnberg, Hamburg, München, Rostock, Dortmund und Kassel.

Während Uwe M. und Uwe B. tot in einem ausgebrannten Wohnmobil bei Eisenach aufgefunden wurde, stellte sich Komplizin Beate Z. der Polizei. Möglicherweise wird die 36-Jährige als Kronzeugin gegen ihre Mittäter aussagen. Zu den mutmaßlichen Komplizen des Trios gehört auch der 37-jährige Holger G. , den die Polizei am Wochenende in der Nähe von Hannover festnahm. G. soll am heutigen Montag dem Haftrichter in Karlsruhe vorgeführt werden.

Bosbach skeptisch zu NPD-Verbostverfahren

Während sich auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) für ein Verbot der NPD ausspricht, das den Sicherheitsbehörden sehr helfen würde, äußerte sich der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU) skeptisch. "Die dramatischen Erkenntnisse der letzten Tage ändern nichts daran, dass sich der Staat seit dem plötzlichen Aus des NPD-Verbotsverfahrens 2003 dank Karlsruhe in einem echten Dilemma befindet“, sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger“ (Montagsausgabe).

Das Gericht verlange, dass vor einem neuen Antrag alle V-Leute abgezogen werden, so Bosbach. Doch seien die Behörden zur Gefahrenabwehr dringend auf Infos aus dem Innenleben der Partei angewiesen. Ein erneutes Verfahren würde Jahre dauern: "Und deshalb wäre der Erkenntnisverlust gerade wegen der Gefährlichkeit der NPD höchst riskant.“

Der GdP-Vorsitzender Bernhard Witthaut sagte der "Passauer Neuen Presse“ (Montagsausgabe), die Frage des NPD-Verbots stelle sich jetzt um so dringender. Die GdP fordere dies seit längerem. Die NPD könnte dann keine regulären Parteitage mehr abhalten. Sie hätte "von einem Tag auf den anderen ihre finanzielle Basis verloren“, sagte Witthaut: "Eine braune Terrorzelle wird man mit einem neuen Verfahren sicherlich nicht verhindern können. Ein NPD-Verbot wäre aber ein schwerer Schlag für die gesamte rechtsextreme Szene in Deutschland.“

Zuvor hatte bereits die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, ein NPD-Verbot gefordert. Alle juristischen Möglichkeiten müssten ausgelotet werden, "um die Verherrlichung des Nationalsozialismus auf unseren Straßen zu verhindern“, sagte Knobloch bei einer Gedenkfeier zum Volkstrauertag am Sonntag in München.

Muslime: Rechtsterrorismus "chronisch unterschätzt“

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland beklagt eine "lange Kette“ von Gewalt gegen Muslime. Seit mindestens 20 Jahren werde der Rechtsterrorismus in Deutschland "chronisch unterschätzt“, sagte der Zentralrats-Vorsitzende Aiman Mazyek der "Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Montagsausgabe).

Allein in diesem Jahr habe es bereits 20 Anschläge auf Moscheen gegeben, außerdem auf muslimische Gemeindehäuser und Wohnhäuser von Migranten, sagte Mazyek. Die Vorfälle reichten von Farbschmierereien über Sachbeschädigungen bis zu Körperverletzungen und Morden. "Die Serie der Gewalt gegen Migranten nahm ihren Anfang mit den schlimmen Brandanschlägen in Mölln und Solingen Anfang der 90er und ist seither nie wirklich zum Stillstand gekommen“, so der Zentralratsvorsitzende.

"Offensichtlich konnte der Rechtsterrorismus in Deutschland unbehelligt grassieren, weil die Behörden zu sehr in Richtung religiös motivierter Täter geblickt haben“, kritisierte er. Sicherheits-, Antiterror- und Überwachungsgesetze seien in den vergangenen Jahren permanent verschärft worden, ohne dass die Zwickauer Täter von dem Netz erfasst worden wären. "Da fragen wir uns, warum diese Maßnahmen beim Rechtsterrorismus versagt haben.“ Angeblich seien die Antiterror-Gesetze doch nie gezielt gegen Muslime, sondern gegen Bandenkriminalität und Terror jeglicher Art erlassen worden.

Wie am Wochenende bekannt wurde, soll Erkenntnissen der Polizei eine Zwickauer Neonazi-Gruppe aus zwei Männern und einer Frau für eine Mordserie an neun ausländischen Ladenbesitzern in mehreren deutschen Städten zwischen 2000 und 2006 verantwortlich sein. Das Trio wird auch verdächtigt, den Mord an einer Polizistin in Heilbronn 2007 begangen zu haben. Die Bundesanwaltschaft ermittelt.

Mit M a terial von dpa, dapd und epd