Hinweise lagen in einem zerstörtem Haus. Kommission startet interne Ermittlungen.

Zwickau/Hamburg. Zwei Fragen muss sich der Bundesverfassungsschutz jetzt gefallen lassen, aber auch die Verfassungshüter aus dem Bundesland Thüringen: Warum ist es 13 Jahre lang nicht gelungen, den Behörden bekannte Neonazis im Untergrund zu enttarnen? Oder wusste man gar um ihre Existenz und hat sie als Verbindungsleute geführt? Auf schlüssige Antworten drängen Politik und Öffentlichkeit.

Besonders brisant: Der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Thomas Sippel, äußerte sich am Wochenende auffallend vorsichtig zur Frage eines Verbindungsmannes (V-Mann) in der Szene. Bei einer Überprüfung im Jahr 2000 seien keine Hinweise darauf gefunden worden, dass die drei Verdächtigen als Informanten geführt wurden. Allerdings hätten "letzte Zweifel nicht beseitigt werden können", so Sippel. Fakt ist, dass der Chef des Thüringer Heimatbundes, unter dessen Dach Beate Z., Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in den 90er-Jahren Bomben bastelten, lange Zeit Informant des Verfassungsschutzes war. Tino B., Deckname "Otto", soll bis zu seiner Enttarnung im Jahr 2001 mehr als 200 000 D-Mark an Info-Honoraren kassiert haben.

In Ermittlerkreisen heißt es, dass Beate Z., gegen die gestern Abend Haftbefehl wegen des dringenden Verdachts der "Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" sowie der besonders schweren Brandstiftung erlassen wurde, mehrmals Kontakt zu V-Leuten des Verfassungsschutzes gehabt habe. Dann soll sie sich unter falschem Namen in Zwickau bewegt haben. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung waren in den Trümmern der zerstörten Wohnung des Trios "legale illegale Papiere" gefunden worden. Mit solchen Papieren statten Ermittlungsbehörden Personen aus, die sie in verdächtige Kreise einschleusen wollen.

Der Hamburger Verfassungsschutz-Chef Manfred Murck gibt zu bedenken, dass der Einsatz von V-Leuten immer auch mit Risiken behaftet ist: "Wenn man keine in bestimmten Gruppen hat, erfährt man nichts. Sitzen V-Leute in einer kriminellen Gruppe mit drin, läuft man immer Gefahr, dass dies auf die Behörde zurückfällt." Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach nannte es "erstaunlich", dass die Terrorverdächtigen mehr als ein Jahrzehnt untertauchen konnten. Sein CSU-Kollege Hans-Peter Uhl wird noch deutlicher: "Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich aus all dem noch ein Verfassungsschutzproblem ergibt." Der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BdK), André Schulz, sagte: "Mutmaßungen sind in so einem Ermittlungsfall fehl am Platze, aber es verwundert schon sehr, wie schnell sich die Bundesanwaltschaft nach der Explosion des Hauses in Zwickau und dem Auffinden der Leichen zur Gruppierung der Täter festgelegt hat und wie schnell mehr als zwei Aktenordner mit Erkenntnissen über die Täter präsentiert werden konnten."

Vor der Gefahr eines neuen Rechtsterrorismus hatte schon im Jahr 2000 der damalige Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm gewarnt. Als Indiz nannte er die zunehmende Zahl von Waffenfunden bei Rechtsextremisten. Nach den Anschlägen des 11. September 2001 in New York und Washington konzentrierten sich die Aktivitäten der Inlandsgeheimdienste bei Bund und Ländern allerdings auf den Islamismus. Insgesamt geht der Verfassungsschutz von 9500 gewaltbreiten Rechtsextremisten in Deutschland aus.

Bodo Becker, Sprecher des Bundesamtes für Verfassungsschutz, betont, dass seine Behörde nicht "auf dem rechten Auge blind" sei. Natürlich sei der Islamismus der Schwerpunkt, aber das heiße keineswegs, dass andere Felder vernachlässigt würden. Seit langer Zeit schon spiele der Rechtsextremismus in den Jahresberichten die größte Rolle. Becker: "Wir als Bundesamt für Verfassungsschutz hatten nie einen Kontakt zu dem Trio und seit 1998 auch keine Informationen über dessen Verbleib."

Mögliche Versäumnisse des Verfassungsschutzes in Thüringen soll eine Untersuchungskommission prüfen. Auch das für die Geheimdienste zuständige Kontrollgremium des Bundestages will eine Sondersitzung einberufen.