Nach der Pleite im Nordosten fordert CDU-Chefin Merkel ein Ende des Koalitionsstreits. FDP-Chef Rösler will das Parteiprofil schärfen.

Berlin. Eigentlich mag Philipp Rösler Pressekonferenzen. Da kann er zeigen, wie gut gelaunt er ist. Er kann ab und zu ein Späßchen in seine Antworten einbauen und die Öffentlichkeit an seinem scheinbar grenzenlosen Optimismus teilhaben lassen. In den vergangenen vier Monaten, die Rösler die FDP nunmehr anführt, hat das mit der vorsätzlich guten Laune immer wieder funktioniert.

Nach einer 2,7-Prozent-Pleite hat aber selbst ein Philipp Rösler kein Interesse mehr an Scherzen. Am Tag eins nach der Pleite in Mecklenburg-Vorpommern steht der Parteivorsitzende im Foyer des Thomas-Dehler-Hauses und sieht sich erstmals gezwungen, Selbstkritik zu üben. Seine Partei habe in den zehn Tagen vor der Wahl durch Personaldiskussionen innerhalb der FDP "eine Chance auf Erfolg selber auch ein Stück weit zunichtegemacht". Und ja, es gebe sicher ein paar Dinge, "die würde ich jetzt anders machen".

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Ob er einen Fehler im Umgang mit seinem Außenminister Guido Westerwelle begangen habe, verneint Rösler allerdings. Und er wehrt sich gegen die Kritik aus den eigenen Reihen, etwa von Schleswig-Holsteins Fraktionschef Wolfgang Kubicki, der die Marke FDP als "generell verschissen" bezeichnet hat. Die FDP müsse sich nicht neu erfinden, sondern auf den Markenkern der Wirtschaftskompetenz konzentrieren, hält der Parteichef dagegen.

In der Verteidigungshaltung fühlt sich Rösler sichtbar unwohl. Die internen Zweifel an seiner Führungsstärke wachsen. Und weil er ahnt, dass die Diskussionen um den Kurs der Partei und ihrem Chef nach einer erneuten Schlappe bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl in zwei Wochen an Schärfe gewinnen könnten, kündigt er vorsorglich an, direkt nach der Berlin-Wahl Vorschläge zu machen, wie die Ausrichtung der Liberalen für den Rest der Wahlperiode aussehen soll. Für Rösler wird es das Projekt Wählerzurückgewinnung. Ihm gehe es um diejenigen, die die FDP 2009 auch als Alternative zur Großen Koalition gewählt hätten, sich aber aus Enttäuschung der Gruppe der Nichtwähler zugewendet hätten.

Von der "neuen Bürgerlichkeit" spricht Rösler, für die die FDP jetzt stehen soll. Noch aber liegt sie am Boden. "Steh auf, wenn du ein Liberaler bist", hat Generalsekretär Christian Lindner wenige Stunden zuvor ins Weinzelt beim Gillamoos-Volksfest im niederbayerischen Abensberg gerufen. Ob der Ruf bis nach Berlin hallt, ist ungewiss. Dort stehen die Liberalen vor der Wahl am 18. September in den Umfragen bei drei bis vier Prozent. Nach Sachsen-Anhalt (3,8 Prozent), Rheinland-Pfalz (4,2 Prozent) und Bremen (2,4 Prozent) und der Pleite im Nordosten des Landes bereiten sich die Liberalen längst auf das nächste Horrorergebnis vor. Auch die CDU muss in Berlin mit einem Ergebnis rechnen, das sie nicht zufriedenstellen wird: Im besten Fall erreicht sie 25 Prozent, im schlimmsten Fall sackt sie auf 20 Prozent ab, so die Wahlforscher. Doch nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern haben es die Christdemokraten im Konrad-Adenauer-Haus weitaus leichter als die FDP. Im Bundestrend steht die CDU stabil bei 32 bis 35 Prozent. Es muss also allein etwas in Mecklenburg-Vorpommern schiefgegangen sein, so der Tenor am Tag nach der Wahl. Teilnehmer der Präsidiumssitzung berichten, dass es anders als bei den zurückliegenden Wahlschlappen der CDU diesmal keine intensive Diskussion über eine Mitverantwortung der Bundespartei und der Regierungskoalition gegeben habe.

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht dementsprechend von regionalen Gründen, die zu dem miserablen 23,1-Prozent-Ergebnis geführt hätten. Die CDU-Chefin führt die umstrittene Kreisreform an, die CDU-Spitzenkandidat Lorenz Caffier als Innenminister verantworte, und als weiteren Grund nennt Merkel die schlechte Wahlbeteiligung. Wahlverlierer Caffier an ihrer Seite kann da nur zustimmen. Allein CDU-Vize Volker Bouffier zeigt seine Unzufriedenheit deutlicher als seine Parteichefin. Der hessische Ministerpräsident sieht ein Geschlossenheitsdefizit bei seiner Partei. Es sei ein Problem in Mecklenburg-Vorpommern gewesen, dass bei einer Wahlbeteiligung von nur knapp mehr als 50 Prozent auch Stammwähler der Union nicht mehr mobilisiert werden konnten, gibt er zu bedenken.

Ob sich Caffier vor diesem Hintergrund ins Zeug legen soll, um eine Fortsetzung der Koalition mit der SPD unter Ministerpräsident Erwin Sellering auszuhandeln, beantwortet Merkel auffallend zurückhaltend. Eine weitere Regierungsbeteiligung im Nordosten halte sie für wünschenswert. Diese werde es aber "nicht um jeden Preis" geben, betont die Kanzlerin. Auch sie weiß, dass ihr Landesverband nach dem schlechtesten Ergebnis seit seinem Bestehen womöglich auf den Oppositionsbänken besser zu Kräften kommen kann als mit einem trostlosen "Weiter so".

Eine Kursdebatte über die CDU im Bund ist Merkel am Montag vorerst erspart geblieben. Sie selbst ist es, die als Mahnerin auftritt. "Das Allerwichtigste ist, dass wir in schwierigen Zeiten auch schwierige Probleme lösen", sagt sie. Zuversichtlich sei sie, dass es unter allen Koalitionspartnern den Willen gebe, diese Entscheidungen auch hinzubekommen. "Der Herbst verspricht nicht langweilig zu werden." Und: "Wir müssen unsere Arbeit machen." Streit sei dabei nicht hilfreich.

Eine Spur drastischer hat an diesem Tag David McAllister seinen Appell an die eigenen Leute formuliert. Wie FDP-General Lindner hat auch Niedersachsens CDU-Ministerpräsident seinen Auftritt beim Gillamoos-Volksfest bekommen - und ihn für eine Abrechnung mit den dauerstreitenden Koalitionären genutzt. Seine Ansage an die Parteifreunde in Berlin: "Ihr könnt gelegentlich auch mal die Klappe halten!"