Das Datum des gestrigen Auftritts mag er eines Tages vergessen, das Gefühl dieses Moments in den Morgenstunden sicherlich nicht. Wie es sich so sitzt auf dem Chefsessel des Staates, darüber wollte Philipp Rösler danach aber nur wenig verraten. Der Stellvertreter der Bundeskanzlerin beließ es nach seiner ersten Sitzung als Sommerchef der Regierung bei einer einzigen Regung: Er sei "ein bisschen aufgeregt" gewesen.

Was sagt dieses Quäntchen Offenheit über einen Menschen, der sonst so selbstsicher seine Reden ohne Manuskript hält, der bei einem Volksfest die Kanzlerin ungeniert als Barbiepuppe bezeichnet und der in Interviews von seinen Kindheitsträumen erzählt, in denen er ein verschollener vietnamesischer Prinz ist? Vielleicht hat der sonst so Furchtlose und Freimütige gestern tatsächlich Angst gehabt. Vielleicht ahnte der FDP-Chef, dass das sein machtpolitischer Höhepunkt sein könnte, für lange Zeit oder für alle Tage.

Noch vor zwei Jahren war Rösler ein Landespolitiker von vielen. Seitdem kannte der Vater von Zwillingstöchtern nur den Weg nach oben. Und jetzt? Für einen FDP-Politiker gilt das Amt des Vizekanzlers und die Chance, so auch mal das Bundeskabinett zu leiten, gemeinhin als Zenit der Macht. Wie es ist, an diesem Punkt mit nur 38 Jahren angekommen zu sein, darüber schwieg Rösler. Das bittersüße Gefühl behielt er vorsichtshalber für sich.