Die FDP muss ihre Verkrampftheit ablegen - dann kann sie auch aus der Krise finden

Die wöchentlichen Umfragewerte sind für Philipp Rösler ähnlich ernüchternd, wie sie lange Zeit für Sigmar Gabriel waren. Während sich die SPD allmählich von den 23 Prozent der vergangenen Bundestagswahl erholt, pendelt sich die FDP unter der Fünf-Prozent-Marke ein.

Bei den Grünen waren es Ereignisse von geringer Wahrscheinlichkeit wie eine Kernschmelze in Japan und eine Volkserhebung im Schwäbischen, die ihnen zweistellige Zugewinne bescherten. Darauf kann Rösler nicht hoffen. Er muss sich mit den Hebeln begnügen, die einer politischen Partei gemeinhin zur Verfügung stehen, wenn sie ihre Lage verändern will: Programm, Personal und Partner. Guido Westerwelle wurden von Parteifreunden fundamentale Fehler vorgehalten. Er habe die FDP verengt auf ein Thema (Steuersenkungen), eine Koalitionsoption (die Union) und eine Person (sich selbst). Den Sinkflug in den Umfragen ertrugen viele Liberale in dem Glauben, dass sie die Lösung kannten. Ohne Westerwelle würde sich die FDP schon wieder fangen. Nach zwölf Wochen Rösler ahnen sie, dass es anders kommen kann.

Sollten sich die Liberalen in der außerparlamentarischen Opposition wieder finden, wird Rösler keine Mühe haben, seiner erklärten Lebensplanung nachzukommen und vor Vollendung seines 45. Lebensjahres aus der Politik zu scheiden. Bis zur Bundestagswahl aber ist die FDP gut beraten, den Personal-Hebel nicht mehr anzufassen. Es hilft nicht, Westerwelle auch noch aus dem Außenamt zu drängen. Kein FDP-Politiker würde auf Anhieb eine bessere Figur machen.

Möglichkeiten haben die Freien Demokraten auf dem Feld der Bündnisstrategie. Westerwelles kategorisches Nein zu Koalitionen mit der SPD, das er erst in Bedrängnis vor der Hamburg-Wahl relativierte, hat sich als Irrweg erwiesen. In Nordrhein-Westfalen eine von der Linkspartei gestützte rot-grüne Minderheitsregierung zuzulassen, statt selbst Verantwortung zu übernehmen, war der Partei eines Thomas Dehler unwürdig. Das Regieren mit Merkels Union, die dem Partner Entfaltungsraum nimmt, bekommt der FDP ebenso wenig wie zuvor der SPD. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, eine Hüterin von Dehlers Erbe, warnt ihre Partei vor einer Festlegung auf die Union. Die FDP sollte aufhören, sie dafür zu bekämpfen.

Unverkrampftheit ist der FDP zu empfehlen - auch in der Programmatik. Das Eintreten für Steuersenkungen gehört zum Wesenskern einer bürgerlichen Partei. Aber wenn die Spielräume oder der Koalitionspartner nur eine Mini-Entlastung erlauben, wird Enttäuschung überwiegen. Steuersenkungen um wenige Euro bringen der FDP ungefähr so viel Zuspruch wie das Bildungspaket für Hartz-IV-Kinder der Arbeitsministerin. Ähnliches gilt für die Bürgerrechte, ein weiteres Profilierungsfeld der Liberalen. Es ist gut, ein Gegengewicht zu den Innenministern der Union zu bilden. Aber es darf nicht ausufern in einen einsamen Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung. Mit aller Gewalt: FDP. Handeln die Liberalen nach diesem Motto, werden sie scheitern.

Es wird nicht erforderlich sein, den Liberalismus neu zu erfinden, um bei der nächsten Bundestagswahl erfolgreich zu sein. Die Rolle der FDP wird es sein, klaren Kopf zu bewahren in einer erhitzten Koalition. Dazu gehört auch kluges Krisenmanagement. Die Schuldenkrise in der Euro-Zone steht im Zentrum aller Politik. Es geht um unseren Wohlstand - und um das Wesen der Europäischen Union. Der FDP kommt die Aufgabe zu, das Erbe von Kohl und Genscher zu verteidigen - notfalls auch gegen Merkel. Die Zementierung der EU als Transferunion gilt es zu verhindern. Wenn die FDP mithelfen kann, Deutschland aus der Retter-Rolle für verantwortungslose Schuldenstaaten zu befreien, hat sie viel erreicht.