John Demjanjuk war im Mai wegen Beihilfe zum Mord an 28 000 Menschen verurteilt worden. Nun soll erneut gegen ihn ermittelt werden.

Flossenbürg/Berlin/München. Gegen den früheren KZ-Wachmann John Demjanjuk (91) läuft nach Medienberichten ein neues Ermittlungsverfahren. Die Staatsanwaltschaft Weiden in der Oberpfalz prüfe Vorwürfe im Zusammenhang mit Demjanjuks Tätigkeit als Wachmann im Konzentrationslager Flossenbürg.

Von der Staatsanwaltschaft und vom Oberlandesgericht Nürnberg waren am Sonnabend zunächst keine Auskünfte zu erhalten. Seitens der KZ-Gedenkstätte konnte man erfahren, dass es sich um ein Modellverfahren handeln soll, um künftig auch KZ-Wachleute außerhalb von Vernichtungslagern strafrechtlich verfolgen zu können.

„Es gibt einen Anfangsverdacht aufgrund einer Anzeige“, sagte Weidens Oberstaatsanwalt Gerhard Heindl dem Berliner „Tagesspiegel“. Demnach stellten zwei Juristen, die mit dem abgeschlossenen Münchner Demjanjuk-Prozesses eng befasst waren, die Anzeige. Sie werfen Demjanjuk und einem weiteren KZ-Wachmann vor, sich an der Ermordung von 4974 Menschen im KZ Flossenbürg beteiligt zu haben.

Die Anzeige wurde „Bild“ zufolge bereits Ende Mai erstattet. Sie sei ursprünglich bei der Staatsanwaltschaft München eingegangen, von wo sie nach Weiden weitergeleitet wurde. „Ein Ermittlungsverfahren ist eingeleitet. Wir sammeln Erkenntnisse“, sagte Oberstaatsanwalt Heindl dem Blatt.

Laut „Tagesspiegel“ stammt die Strafanzeige zum einen von Thomas Walther, der früher bei der Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg war und den Fall Demjanjuk entdeckt habe. Zudem habe der Kölner Strafrechtsprofessor Cornelius Nestler, der Organisator der Nebenklage im Prozess in München, Anzeige erstattet.

Der Leiter der Flossenbürger KZ-Gedenkstätte, Jörg Skriebeleit, sagte, der ehemalige Lindauer Amtsrichter Walther habe bei den Recherchen eng mit der Gedenkstätte zusammengearbeitet. „Flossenbürg soll ein Pilotverfahren werden“, sagte Skriebeleit. Der Straftatbestand Beihilfe zum Mord solle nicht mehr nur für reine Vernichtungslager gelten. Bei dem zweiten Beschuldigten in der neuen Anzeige handele es sich um einen Wachmann, der auch bereits als Zeuge im Demjanjuk-Prozess ausgesagt habe.

Demjanjuk war nach den Untersuchungen von Skriebeleit und seinen Mitarbeitern vom Oktober 1943 bis Dezember 1944 Wachmann in dem nordbayerischen Lager. In dieser Zeit seien knapp 5000 Menschen in Flossenbürg umgekommen. Am Wochenende war Ermittler Walther erneut nach Flossenbürg gekommen, um von Überlebenden möglicherweise neue Details zum Fall Demjanjuk zu erfahren. Anlass war das jährliche Treffen der ehemaligen Häftlinge. Insgesamt 51 frühere KZ-Insassen sowie 150 Angehörige seien gekommen, sagte Skriebeleit.

Demjanjuk war Mitte Mai wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 28 060 Juden im Jahr 1943 im Vernichtungslager Sobibor zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Zugleich hob das Landgericht den Haftbefehl als nicht mehr verhältnismäßig auf. Die Regierung von Oberbayern brachte den 91 Jahre alten Demjanjuk in einem Pflegeheim in Bad Feilnbach (Landkreis Rosenheim) unter. (dpa/abendblatt.de)