Nach langem Ringen nennt die SPD einen Abzugstermin für die Mission am Hindukusch. Eine Mandatsverlängerung ist dennoch möglich.

Berlin. Es war ein Satz wie aus Stein gemeißelt, den der damalige Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) Ende 2002 in die Kameras grollte: "Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt." Bereits ein Jahr zuvor hatte der Bundestag unter der Regierung Schröder die Entsendung von Bundeswehreinheiten nach Afghanistan beschlossen. Neun Jahre dauert nun inzwischen der Einsatz, in den bereits Tausende Bundeswehrsoldaten geschickt wurden. 43 von ihnen kamen dort bisher ums Leben. Derzeit sind 4600 Bundeswehrangehörige vor Ort. Doch damit soll nach dem Willen der SPD-Spitze möglichst bald Schluss sein. Parteichef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier fordern, dass der Abzug der deutschen Truppen schon Mitte 2011 beginnt und spätestens 2015 abgeschlossen sein soll. Das geht aus einem gemeinsamen Positionspapier hervor, das gestern auf einer Afghanistan-Konferenz im Willy-Brandt-Haus in Berlin vorgelegt wurde.

Die Bundesregierung müsse alles daransetzen, den Rückzug der Bundeswehr parallel zu dem für Juli angekündigten Beginn der Reduzierung der US-Truppen einzuleiten, heißt es darin. Der Einsatz solle dann "im Korridor 2013 bis 2015" beendet werden.

Die Bundesregierung will dagegen laut ihrem Fortschrittsbericht für Afghanistan frühestens Ende 2011 mit einer Truppenreduzierung beginnen und hat sich noch nicht auf ein Enddatum für den Abzug festgelegt. Allerdings sollen bis 2014 die Kampfeinsätze beendet werden. Die Verantwortung für die Sicherheit im Land soll dann komplett in den Händen afghanischer Soldaten und Polizisten liegen. Die SPD will bis zur anstehenden Verlängerung des Afghanistan-Mandats im Bundestag Ende Januar über das Papier diskutieren. Sollte sich die Partei auf eine gemeinsame Linie einigen, könnte sie die schrittweise Truppenreduzierung zur Vorbedingung für eine Zustimmung zur Mandatsverlängerung machen, wie Steinmeier gestern andeutete: Ob diese Zustimmung möglich sei, habe die Regierung in der Hand. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, sagte dem Abendblatt: "Wir wollen uns nicht in Afghanistan vom Acker machen. Das, was jetzt als Position vorliegt, wird ja inzwischen in allen beteiligten Staaten diskutiert." Ein Abzugstermin zu nennen sei ein Zeichen von Verlässlichkeit, sagte Arnold.

Die nun von der Parteispitze aufgestellten Abzugsforderungen decken sich mit einem Positionspapier Gabriels und Steinmeiers von Anfang dieses Jahres. Auf einer SPD-Konferenz zu Afghanistan schlugen sie einen Abzugskorridor von 2013 bis 2015 vor. Der Rückzug der Bundeswehr müsse "parallel zum Beginn der angekündigten Reduzierung der US-Truppen im Sommer 2011 beginnen". Dass sich diese Formulierung nun fast wörtlich wiederfindet, deutet darauf hin, dass die Partei in der Afghanistan-Frage inzwischen zu einer konsistenteren Linie gefunden hat - nach jahrelangem politischen Schlingerkurs. So hatte Steinmeier noch im Februar 2008 in seiner damaligen Funktion als Außenminister erklärt: "Wir haben gemeinsam Verantwortung übernommen. Und wir werden unsere Mission gemeinsam erfolgreich zu Ende bringen." Auch als nach dem Luftschlag von Kundus im September 2009 Altbundeskanzler Gerhard Schröder mit den Worten "Wir können da nicht auf ewige Zeit bleiben" ein Abzugsdatum für das deutsche Kontingent forderte, positionierte sich Steinmeier gegen einen solchen Termin. Eine konkrete Jahreszahl könne in Afghanistan "von den Falschen als Ermutigung verstanden werden". Manchen Sozialdemokraten ist die heute vorgestellte Abzugsperspektive noch immer zu langfristig. So forderte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering, die Bundeswehr solle das Land verlassen, so schnell wie es möglich sei, ohne die Sicherheit der deutschen Soldaten zu gefährden. Der Afghanistan-Beauftragte der Bundesregierung, Michael Steiner, warnte dagegen: "Ein überstürzter Abzug würde zu Bürgerkrieg und Chaos führen, und das würde sich nicht auf Afghanistan beschränken."

Die Debatte um Afghanistan ist nicht die einzige Konfliktlinie, bei der die Sozialdemokraten harte Kurswechsel hinter sich haben. Auch beim Thema Rente mit 67 räumten sie ihre Position. Während der Großen Koalition hatte die SPD die Entscheidung für eine um zwei Jahre verlängerte Lebensarbeitszeit mit vorangetrieben. So war es ausgerechnet Bundessozialminister Franz Müntefering, der spätere SPD-Chef, der den Forderungen von Rentenexperten wie der Rürup-Kommission nachgab und die Rente mit 67 zum Regierungsziel ernannte. Im Sommer einigten sich die Genossen nach monatelangem Gezänk auf einen Kompromiss, der von den einen als Abschied von der späteren Rente, von den anderen aber als Bekenntnis dazu verstanden wurde. Demnach will die SPD im Fall einer Rückkehr an die Regierung die Rentenpläne für mindestens zwei Jahre aussetzen. 2015 soll geprüft werden, ob und wann die Rente mit 67 wieder eingeführt werden kann. Den Vorstoß Gabriel kommentierte Müntefering: "Gut für die Glaubwürdigkeit von SPD und Politik insgesamt ist das nicht."