Die Widerspruchsfrist für Street View wurde verlängert. Weitere Programme des Konzerns und anderer Unternehmen stehen in der Kritik.

Berlin. Das umstrittene Programm Google Street View will den Blick auf Millionen Häuserfassaden in Deutschland ermöglichen – dabei gewährt das Unternehmen schon längst den Blick hinter die Kulissen. Denn bei Google Earth kann der Nutzer meist kostenlos durch Satelliten- und Luftbilder den Blick von oben in Nachbars Garten genießen. Und auch andere Konzerne rüsten im im Wettlauf um die Nutzerdaten auf, die bares Geld bringen.

Zwar sind die Bilder bei Google Earth in der Regel drei bis vier Jahre alt. Aber sie ermöglichen etwaigen Einbrechern dennoch einen wesentlich besseren Einblick über das Gelände, als die reine Häuserfassade. Wo sind Fluchtwege? Steht im Garten eine Hundehütte? Diese Fragen sind damit leicht zu beantworten.

„Präzise und aktuelle Satellitenbilder gibt es zudem über weitere Anbieter“, sagt die Sprecherin des Chaos Computer Clubs, Constanze Kurz. Für ein paar hundert oder tausend Euro, je nach Qualität, ist schon heute eine Nahaufnahme von der Terrasse zwei Straßen weiter möglich.

PRO UND CONTRA ZU GOOGLE STREET VIEW

In den USA geht Googles Konkurrent Microsoft sogar noch einen Schritt weiter. In seinem Kartendienst „Bing Maps“ generiert das Unternehmen aus hunderten Bildern nahtlose dreidimensionale Modelle von Städten. Was für den New Yorker Times Square sicher interessant ist, wirft bei etlichen Privatgebäuden Fragen auf. Ähnliches bietet Google jedoch bereits in Berlin an.

Und in Großbritannien ermöglicht es „Asborometer““, Straftaten und „unsoziales Verhalten“ in der näheren Umgebung zu lokalisieren, in dem es auf Regierungsdaten zurückgreift. Deutsche Verbraucherschützer befürchten, dass ein solcher Dienst hierzulande zur sozialen Spaltung führen kann, weil vermeintlich schäbige Gegenden noch zusätzlich gemieden werden.

Datenschützer kritisieren außerdem, dass Unternehmen wie Google nicht nur durch neue Fotodienste die informelle Selbstbestimmtheit der Bürger aufweichen. Denn der Konzern bietet Dutzende Zusatzdienste an wie etwa das Email-Programm Gmail. „Wer einen Gmail-Account nutzt, sagt viel über sich aus“, moniert Computerexpertin Kurz. Denn das Programm werte die Inhalte der Emails aus: Wer seinem Freund von Kopfschmerzen berichte, erhalte schnell einen Werbe-Link für Kopfschmerztabletten.

Zudem werden die Begriffe, die der Nutzer in die Suchmaske eingibt, gespeichert. „Wenn ein Mädchen einmal nach Bulimie gesucht hat, kann sie diese Suche durch entsprechende Werbung eine längere Zeit verfolgen“, sagt Kurz. „Zu niemandem ist man ehrlicher, als gegenüber diesem Suchschlitz.“

Vorab-Einspruchsfrist für Mieter und Hauseigentümer

Der Protest gegen Street View reißt indes nicht ab. „Bei Street View sind laut Aussage von Google bis zu zehn Prozent der Gesichter immer noch erkennbar. Das ist definitiv zu viel“, sagt der Referent für Verbraucherrechte in der digitalen Welt bei der Bundeszentrale für Verbraucherschutz, Falk Lüke. „Google hat bei Street View sehr viele Fehler gemacht, die unbedingt hätten vermieden werden müssen.“


Google verlängert Widerspruchsfrist für Street View

Nach massiven Protesten von Politikern und Verbraucherschützern verlängert Google die Widerspruchsfrist für seinen Bilderdienst Street View. Um den Betroffenen genügend Zeit zu geben, einen Antrag auf Unkenntlichkeitmachung von Häusern und Wohnungen einzureichen, habe man sich entschlossen, für die Bewohner der 20 größten deutschen Städte die Widerspruchsfrist auf acht Wochen zu verdoppeln, teilte das das Internetunternehmen am Donnerstag in Hamburg mit. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar begrüßte den von Verbraucherschützern seit langem geforderten Schritt, sah in anderen Fragen der Datenspeicherung aber noch offene Fragen.

Am 20. September will die Bundesregierung in einem ressortübergreifenen Spitzengespräch den künftigen Umgang mit Digitalisierungs-Diensten besprechen.